Das Buch der Vampire 01 - Bleicher Morgen
merken könnte.
Als er dann endlich sprach, tat er dies in kurzen, prägnanten Sätzen, so als bereite es ihm Unbehagen, noch länger in ihrer Gegenwart zu verweilen. »Das Buch befindet sich derzeit im Besitz eines Mannes, der kürzlich von einer Indienreise zurückgekehrt ist. Während er dort war, kaufte er ein altes Schloss, und das Buch war Teil der Bibliothek. Ein Schutzzauber wurde vor Jahrhunderten über das Buch verhängt, und es kann nicht aufgeschlagen werden, solange dieser Zauber nicht gebrochen ist. Darüber hinaus kann es seinem Eigentümer nicht von einem Sterblichen entrissen werden.«
»Aber ein Untoter könnte es stehlen?«
»Ja, genau. Deshalb müssen Sie warten, bis Lilith ihre Gefolgsleute ausgeschickt hat, um das Buch zu holen, und erst nachdem der Diebstahl erfolgt ist, können Sie es ihnen wegnehmen. Falls Sie versuchen sollten, das Buch eigenhändig an sich zu bringen, werden Sie sterben, sobald Sie es berühren.«
Victoria musterte ihn abschätzend. »Sie behaupten also, dass ein Sterblicher das Buch berühren kann, nachdem es seinem Besitzer von einem Vampir geraubt wurde?«
»Exakt.«
»Aber wie soll ein Vampir es diesem Mann stehlen, wenn er doch die Schwelle eines Hauses nicht ohne Einladung überschreiten kann?« In ihren Worten schwang Skepsis mit.
Als wollte er sein Verständnis für ihr Misstrauen zum Ausdruck bringen, nickte Sebastian knapp. »Das ist der Grund, warum es übernächste Nacht passieren wird. Der Hauseigentümer wird sich auf eine Reise begeben, und die Person, die während seiner Abwesenheit dort wohnt, wird die Untoten in das Haus bitten.«
»Diese Person, die den Vampiren Einlass gewähren wird, weiß sie, dass es Vampire sind? Kennt sie den Grund ihres Besuchs? Wird sie zu Schaden kommen?«
Sebastian zuckte gleichgültig mit den Schultern. »Das ist alles an Information, was Sie brauchen werden, Victoria. Sie können entsprechend handeln oder es bleiben lassen.«
»Und falls Sie mich anlügen oder sich hinsichtlich Ihrer Informationen irren, werde ich die Konsequenzen zu tragen haben.«
Sebastian setzte sich auf und beugte sich nahe zu ihr. Seine Augen waren zu schmalen, dunklen Schlitzen verengt, während er sie betrachtete. »Victoria, ich hege die Hoffnung, dass dieses Treffen nur das erste von vielen war. Deshalb versichere ich Ihnen, dass ich nicht lüge. Und wenn es um Angelegenheiten wie diese geht, irre ich niemals.«
Victoria und Verbena kamen erst nach Hause zurück, als die Sonne bereits über den östlichen Stadtrand Londons blinzelte. Von den Ereignissen der Nacht erschöpft, überrascht und aus dem Gleichgewicht gebracht, sprach Victoria während der Heimfahrt nicht, sondern dachte stattdessen über ihr weiteres Vorgehen nach.
Sebastian hatte ihr den Weg zu einem Mann gewiesen, in dessen Besitz sich das Buch des Antwartha befand. Er hatte außerdem wiederholt behauptet, dass die Vampire es in zwei Nächten, also nun die bevorstehende Nacht, stehlen würden, weil der Besitzer dann fort sein würde. Falls seine Informationen korrekt waren, hatte Victoria den Silberkelch keinen Moment zu früh besucht. Vielleicht war Max gestern Abend aus demselben Grund dort gewesen.
Sollte sie Tante Eustacia einweihen und auf diesem Wege auch Max, damit sie zusammen versuchen konnten, das Buch des Antwartha an sich zu bringen? Oder sollte sie Liliths Spießgesellen allein auflauern, für den Fall, dass Sebastians Informationen falsch waren?
Am Grantworth House angekommen, brachte ein gähnender Barth die Droschke am Straßenrand zum Stehen, und Victoria und Verbena stiegen aus. Gemeinsam huschten sie um das Haus herum zum Dienstboteneingang, der vorsorglich unverschlossen geblieben war, und schlichen sich in Victorias Zimmer, ohne von einem der Bediensteten gesehen zu werden. Lady Melly würde bis nach Mittag schlafen, und ihren Informationen nach war Victoria mit starken Kopfschmerzen von der Dinnerparty zurückgekehrt.
Verbena half ihr, sich auszuziehen, dann sank Victoria dankbar auf ihr Federbett. Als sie gerade eindösen wollte, fiel es ihr wieder ein: Sie würde Phillip heute Abend auf dem Ball der Madagascars treffen. Vielleicht würde er die Gelegenheit bekommen, sie noch einmal zu küssen.
Sie lächelte in ihr Kissen.
»Wie kommt es nur«, murmelte Phillip, als er Victoria an sich zog, »dass ich mir immer erst einen Weg durch eine Horde Verehrer bahnen muss, wenn ich mit Ihnen tanzen möchte?«
Den Arm unter seinen gehakt, gestattete
Weitere Kostenlose Bücher