Das Buch der Vampire 01 - Bleicher Morgen
Zorn, sein triefender Sarkasmus. Er war so einsam. Victoria hatte angenommen, er habe diese Wahl selbst getroffen. Vielleicht irrte sie sich.
Vielleicht hatte auch sie keine Wahl.
Ein lautes Knallen von unten, gefolgt von hämmernden Schritten, die die Treppe hinaufgestürmt kamen, lenkte Victorias Blick auf ihre Schlafzimmertür.
Rufe, sie klangen nach Jimmons, und Verbena, dann flog die Tür auf und rumste gegen die Wand.
Phillip.
»Victoria!« Dort stand er, groß und aufbracht, eingehüllt in seinen Umhang, der ihm um die Beine schlug, das Haar unordentlich in der Stirn. »Du bist hier und in Sicherheit!«
Sie war so verdattert, dass sie sogar vergaß, ihren Mund wieder zu schließen. Verbena, Jimmons und Maise, die Hausdame, standen im Türrahmen und redeten alle gleichzeitig, um zu erklären, wie es geschehen konnte, dass Phillip in ihr Zimmer eingedrungen war.
»Schick sie weg«, verlangte er, während er mit langen Schritten auf ihr Bett zuging, in dem sie, das Nachthemd unter einer
Decke verborgen, noch immer lag. »Ich bin dein Verlobter. Wir werden in drei Wochen heiraten. Schick sie weg!«
So hatte sie ihn noch nie gesehen - der gelassene, korrekte Phillip war völlig außer sich. »Ihr könnt gehen«, sagte sie mit einer Handbewegung zu Jimmons und Verbena. Dann kam ihr, erstaunlicherweise angesichts der Situation, ein vernünftiger Gedanke. »Ist meine Mutter schon wach und auf?«
»Jetzt bestimmt«, erwiderte Verbena.
»Dann haltet sie von hier fern. Erzählt ihr, was ihr wollt, aber haltet sie von hier fern, bis der Marquis gegangen ist.«
»Aber es ziemt sich nicht...«, setzte Maise an.
»Geht jetzt bitte. Es wird in Ordnung sein, solange niemand darüber spricht.«
Erst nachdem sie fort waren, gestattete Victoria es sich, Phillip anzuschauen. Der Knoten in ihrer Kehle hatte sich noch enger zusammengezogen. Sie hatte geglaubt, mehr Zeit zu haben, um zu entscheiden, was sie tun sollte, wie sie Phillip begegnen sollte. Wie sie ihm sagen sollte, dass sie ihn nicht heiraten konnte.
Aber ihr Entschluss stand fest. Es war der einzig richtige.
»Victoria, Victoria.« Er verharrte neben ihrem Bett, die Hände auf dem Rücken, so als versuchte er, sich selbst daran zu hindern, sie zu berühren. »Es tut mir so leid, aber ich konnte nicht warten. Ich musste mich einfach vergewissern, dass du hier bist und es dir gut geht.«
»Phillip.« Sie schüttelte den Kopf und schloss für einen Moment die Augen. Was konnte sie schon sagen? »Phillip, natürlich geht es mir gut. Du siehst es doch, mir fehlt nichts. Es waren nur wieder diese Kopfschmerzen.«
Woher war das nun wieder gekommen? Sie hatte nicht vorgehabt, die Scharade fortzusetzen.
Er sah von oben zu ihr herunter, der Blick seiner blauen Augen scharf und immer noch wild. »Victoria.«
»Phillip, setz dich. Hierhin.« Sie klopfte auf ihre Knötchenstichdecke und machte ihm neben ihrer Hüfte Platz.
»Ich weiß nicht, ob ich das tun sollte.« Er schaute sie an, und sie sah etwas in seinen Augen, das sie nie zuvor darin gesehen hatte. »Ob es sich gehört.«
Victoria musste lachen; sie kam nicht dagegen an. »Phillip, jetzt mach dich nicht lächerlich. Du bist doch schon hier, in meinem Schlafzimmer. In drei Wochen werde ich die deine sein.« Ihre Blicke trafen sich, und ihr Mund wurde trocken. Hatte sie das wirklich ausgesprochen? Diese Lüge?
Er setzte sich, und durch sein Gewicht am Rand des Bettes rutschte sie unwillkürlich auf ihn zu. Ihre Oberschenkel berührten sich durch die Schichten von Decken.
»In drei Wochen erst. Ich weiß nicht, ob ich so lange warten kann.« Er streckte die Hand aus, streichelte ihr ungebändigtes Haar, dann zeichnete er ihren Wangenknochen nach, bevor er sie wieder neben sich sinken ließ. »Aber ich muss wissen, wohin du letzte Nacht gegangen bist, Victoria. Steckst du in irgendwelchen Schwierigkeiten?«
»Ich habe mich nicht wohl gefühlt«, gab sie zur Antwort. Warum log sie noch immer? Sie musste ihn gehen lassen.
»Victoria. Ich liebe dich, und ich werde dich heiraten, aber wenn ich eines nicht tolerieren kann, dann ist das Unehrlichkeit.« Er war zornig, eine Regung, die sie bisher nicht an ihm kannte. Echter Zorn, gemischt mit einer Art verzweifelter Besorgnis.
Aber nicht Angst einflößend. Nein, dies war ein Zorn, mit dem sie leben konnte. »Was hast du letzte Nacht in St. Giles gemacht? Sag mir die Wahrheit.«
Da brach es aus ihr heraus. Die Tränen, zusammen mit allem, was sie in den
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