Das Buch der Vampire 01 - Bleicher Morgen
schüttelte den Kopf. »Ich liebe dich, Phillip. Aber ich kann nicht.«
Er sah verletzt aus. »Victoria, ich bitte dich aus tiefster Seele, es mir zu sagen. Ich werde nicht wütend werden, gleichgültig, was es ist. Aber ich kann das nicht zwischen uns stehen lassen, wenn wir heiraten wollen.«
Jetzt. Ihre Hände waren eiskalt unter der warmen Decke. Victoria holte tief Luft und schloss die Augen. Sie würde ihn nicht ansehen, während sie es aussprach. »Dann sollten wir vielleicht besser nicht heiraten.«
Er war still, so still. Er hatte sogar zu atmen aufgehört; sie konnte in der Finsternis hinter ihren geschlossenen Lidern nichts hören als die leisen Stimmen von unten. Und das schnelle, schmerzhafte Schlagen ihres Herzens.
»Victoria.« Die Qual in seiner Stimme ließ sie die Augen öffnen. Phillip sah sie nicht an; er hatte den Blick zum Fenster gerichtet, betrachtete die Sonnenstrahlen, die auf das Dach einer nahe gelegenen Mansarde fielen. Ein Blauhäher ließ sich mit seinem unangenehm krächzenden Gesang flügelschlagend auf dem Ast eines Baumes nieder.
»Es tut mir leid, Phillip.«
Abrupt stand er auf, kehrte ihrem Bett den Rücken zu und schritt zur Tür. Sie beobachtete mit niedergeschlagenem Blick, wie er auf der Schwelle verharrte. »Falls du deine Meinung änderst...«, sagte er, zur Tür gewandt.
»Ich kann nicht.« Sie musste die Worte aus ihrer Kehle zwingen. Sie wollte ihn zurückrufen.
Phillip sah sie nicht an; er ging durch die Tür und schloss sie mit sanftem Nachdruck.
Victoria verstand das nicht. Sie hätte sie zugeknallt.
Kapitel 18
Zwischenspiel in einer Kutsche
Victoria schickte eine Nachricht an Madame LeClaire, in der sie ihre Anprobe unter dem Vorwand einer plötzlichen Erkrankung absagte. Es würde sich schnell genug herumsprechen, dass ihre Verlobung mit dem Marquis von Rockley aufgelöst worden war. Binnen weniger Tage würde es in der Zeitung stehen - entweder in der Gesellschaftsspalte oder bei den Anzeigen; je nachdem, wer die Nachricht zuerst erhielt.
Sie brachte es nicht über sich, es ihrer Mutter zu sagen. Noch nicht. Vielleicht in ein oder zwei Tagen, wenn der Schmerz nicht mehr so frisch wäre. Lady Melly war so glücklich darüber, den Marquis in der Familie begrüßen zu dürfen, dass Victoria einfach nicht den Mut fand, ihr die Wahrheit zu sagen.
Verbena schnalzte mit der Zunge, als sie ihre roten Augen sah, sagte jedoch nichts, außer: »Es tut mir so leid, Miss Victoria. Es ist zwar nicht dasselbe, aber ich hab mich auch ziemlich schlimm gefühlt, als ich meinen Jassie an eine andre Frau verloren hab. Wenigstens wissen Sie, dass es nicht das ist.«
Falls diese Bemerkung dazu gedacht war, sie zu trösten, so tat sie es nicht. Victoria schickte Verbena aus dem Zimmer, starrte zum Fenster hinaus und beobachtete den Blauhäher, der wieder den Baum besuchte.
Sie ließ sich bei einer Dinnerparty an diesem Abend entschuldigen. Stattdessen schlich sie sich, sobald ihre Mutter gegangen
war, um mit den anderen Damen der feinen Gesellschaft Klatsch und Witze auszutauschen, durch die Hintertür aus dem Haus. Sie trug ihren geschlitzten Rock, der speziell für die Vampirjagd angefertigt worden war.
In dieser Nacht spürte sie fünf Vampire auf und tötete sie.
In der folgenden Nacht drei weitere.
In der dritten Nacht fand sie nur einen einzigen. Es fühlte sich verdammt gut an, als sie ihm den Pflock in die Brust trieb.
Aber es war nicht genug; deshalb strich sie durch die Straßen in der Nähe von Covent Garden, wo sie von ein paar sterblichen Bösewichtern belästigt wurde.Nachdem sie ihnen ihre Pistole und ihre Fähigkeiten im Kickboxen vorgeführt hatte, jagte Victoria sie in die Nacht hinaus und fühlte sich anschließend ein wenig besser.
Sie kehrte erst nach Morgengrauen nach Grantworth House zurück, wo sie ins Bett und in einen unruhigen Schlaf fiel.
Als Eustacia ihr am vierten Tag, nachdem Phillip in ihr Schlafzimmer gestürmt war, eine Einladung schickte, dachte Victoria daran, abzulehnen. Sie fühlte keine Notwendigkeit, sich mit ihrer Tante oder Max, der sicherlich dort sein würde, zu treffen. Sie erledigte ihre Arbeit, indem sie Untote jagte und unschädlich machte; sie hatten das Buch des Antwartha, das sie in der Kapelle von St. Heath’s Row versteckt hatte, bevor sie und Rockley die Sache beendeten.
Weshalb könnte ihre Tante sie sehen wollen?
Ihr Entschluss stand fest, als Lady Melly den Kopf in ihr Schlafzimmer steckte. »Ich bin bei
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