Das Buch der Vampire 03 - Blutrote Dämmerung
Wärme des Splitters war inzwischen aus ihrer Hand gewichen, und ihre Finger fühlten sich kalt an. Max kam näher, und Victoria merkte, wie die Efeublätter, die sich an der Mauer hinter ihr rankten, gegen ihren Rücken strichen.
»Ja … warum eigentlich nicht?«
Er ragte stark, groß und nah über ihr auf, und Victorias Herz begann so wild zu pochen, als wollte es ihr aus der Brust springen. Ihre Lungen fühlten sich so eng an, dass sie glaubte, nicht atmen zu können, aber als sie es dann doch tat, nahm sie Max’ Geruch mit in sich auf - den seines feuchten Wollmantels, das vage Aroma von Wein und die Essenz dessen, was er war.
Sie fühlte die Berührung der Steine hinter sich, während sie mit den Fingern an der Mauer Halt suchte, so als fürchtete sie, die Balance zu verlieren.
Dann beugte Max sich - die Hände beidseitig neben ihren Kopf gelegt, jedoch weit genug entfernt, um sie nicht zu berühren - zu ihr, bis sein dunkler Kopf ihr die Sicht nahm und Victoria die Augen schloss, dann legte er den Mund auf ihren.
Max küsste sie so, wie er alles tat: arrogant, geschmeidig und äußerst kunstfertig.
Er war kein bisschen zögerlich. Es gab kein sanftes Berühren von Lippen, so als wollte er die ihren langsam erforschen, ihren Geschmack erproben oder Victoria die Chance lassen, sich zurückzuziehen, sollte sie ihre Meinung geändert haben.
Gleichzeitig war es aber auch kein Raubzug, kein Anmelden von Besitzansprüchen oder die Entfesselung einer lang unterdrückten Leidenschaft.
Es war … es war Max. Einfach nur Max.
Er war stark und sinnlich und sehr behutsam. Falls sie je gedacht hatte, dass seine Lippen sich unnachgiebig oder rau anfühlen würden, wurde sie nun eines Besseren belehrt, als ihre Münder sich wieder und wieder in einer schlüpfrigen Choreographie trafen und voneinander lösten, bis ihr Kuss zu einer einzigen fließenden, rasanten Spirale wurde, die in ihren Bauch und dann noch weiter nach unten kreiselte.
Die Finger noch immer in die nasse, erdverkrustete Mauer gekrallt, lehnte Victoria sich mit leicht abgewinkelten Knien dagegen, um ihr Gleichgewicht zu halten. Doch es war noch immer Raum zwischen ihren Körpern; obwohl sie die Wärme seiner Nähe in der frostigen, frühabendlichen Luft spürte, gab es keine Berührung außer der ihrer küssenden, sich neckenden Münder.
Max knabberte genüsslich für einen langen Moment an ihrer Unterlippe, dann zog er sich, mit der Nase über ihre Wange streichelnd, zurück.Victoria legte den Kopf in den Nacken und spürte, wie die Feuchtigkeit der Blätter in ihr Haar sickerte und Max’ Atem warm über ihre Schläfe strich, als er sich nun wieder zu ihr beugte.
»Könnten wir uns jetzt, da deine Neugierde befriedigt ist, wieder unserer eigentlichen Aufgabe zuwenden?«, murmelte er.
Damit löste er sich von der Mauer, von Victoria, und wandte ihr den Rücken zu, um den vergessenen Splitter aufzuheben. Noch bevor Victoria wieder ganz zu Atem gekommen war
oder auch nur daran dachte, ihn zurückzuverlangen, hatte Max ihn schon in seine Tasche gesteckt.
Mit zitternden Fingern und weichen Knien drehte sie sich von ihm weg, bevor er den benommenen Ausdruck auf ihrem Gesicht bemerken konnte.
Doch diese Sorge erwies sich als unbegründet, denn Max würdigte sie kaum eines Blickes, sondern gab ihr lediglich mit einer seiner typischen, scharfen Gesten zu verstehen, ihm zu folgen. »Wir haben genug Zeit verloren. Der Sonnenuntergang rückt immer näher«, rief er ihr über die Schulter zu, während er seinen Weg entlang der Mauer fortsetzte.
Jener Mauer, von der jetzt winzige Steinchen unter Victorias Fingernägeln hafteten.
Kapitel 16
In welchem das Liebeswerben um Lady Melly eine neue Wendung nimmt
D er Conte Regalado - oder Alberto, wie er gerne von ihr genannt werden wollte - war der charmanteste Mann, den Lady Melisande Grantworth je kennen gelernt hatte. Oder der je um sie geworben hatte.
Und der zwar kahlköpfige, aber dennoch recht adrette italienische Graf warb tatsächlich um sie.
Bei ihrer allerersten Begegnung, als er sie, Winnie und Nilly
in jener Nacht in den Tiefen dieser unheimlichen alten Villa entdeckt hatte, war er galant und liebenswürdig gewesen - und auch wenn er sie am Ende doch nicht zu dem Schatz geführt hatte, sondern plötzlich auf unerklärliche Weise verschwunden war, hatte er dennoch einen freundlichen und faszinierenden Eindruck gemacht.
Und er legte viel Wert auf seine äußere Erscheinung. Er war wirklich ein
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