Das Buch der Vampire 03 - Blutrote Dämmerung
seinen Enkel mit einem nonchalanten Winken bedachte. »Lass uns allein, Sebastian.«
»Nein.« Mit der Geschmeidigkeit einer großen Katze glitt er vollkommen unbewaffnet zwischen sie.
Victoria betrachtete sein blasses Gesicht, sah die finstere Entschlossenheit in seinen Augen, den dunklen Fleck, der sich unter seinem linken Schlüsselbein ausbreitete, und sie bemerkte auch, dass seine Atmung keuchender klang, als sie sollte. Er war noch immer anziehend wie die Sünde selbst, noch immer mehr als attraktiv und noch immer imstande, sie wegen alldem, was sie miteinander geteilt hatten, in seinen Bann zu ziehen. Gott sei Dank war er kein Vampir, sodass er zumindest kein
hypnotisches Netz über sie werfen konnte. »Du hast uns bestohlen. Du hast uns verraten, Sebastian. Ich … will … dich … nicht … mehr … sehen.«
Während Victoria und Sebastian sich noch gegenüberstanden, hatte Beauregard sich auf die Wand hinter seinem Schreibtisch zubewegt. Sie hörte in einiger Entfernung ein leises Geräusch.
»Du hast dich entschieden, Sebastian. Du hast deine Wahl getroffen, als du diesen Verrat begingst - als du dich ins Konsilium geschlichen hast, während wir uns um Zavier sorgten, während Max -« Sie hielt kurz inne. »Es war deine Entscheidung, und jetzt geh mir aus dem Weg, damit ich das Ganze zu Ende bringen kann.«
Die große Tür wurde aufgestoßen, und vier kräftige Vampire - drei Männer und eine Frau - stürmten herein. Mit plötzlich schneller und lauter schlagendem Herzen wirbelte Victoria zu ihnen herum. Sie hielt ihren Pflock bereits in der Hand, doch es würde ein harter Kampf werden. Sie nahm eine geduckte Angriffshaltung ein.
Sebastian hatte sich ebenfalls umgedreht und in Verteidigungsstellung gebracht. »Victoria, das Armban-«
Seine Worte erstarben in einem Aufkeuchen, als ihm der erste der Untoten die Faust in den Magen rammte, bevor ihn gleich darauf ein zweiter von der anderen Seite attackierte und ihn, als Sebastian herumschoss, brutal zu Boden stieß. Instinktiv riss Victoria ihren Pflock hoch, doch eine starke Hand packte von hinten ihr Handgelenk, während ihr gleichzeitig ein Arm um die Taille geschlungen und so fest zugedrückt wurde, dass sie keine Luft mehr bekam. Sie versuchte, sich freizukämpfen, indem
sie nach hinten austrat, wobei sie beobachtete, wie Sebastian sich auf die Füße rappelte, nur um gleich darauf durch einen Stiefeltritt gegen den Unterkiefer wieder zu Fall gebracht zu werden. Bei einem Normalsterblichen wäre dabei der Knochen zu Bruch gegangen. Als ein anderer Vampir ihn anschlie ßend wieder auf die Beine zerrte, gelang Sebastian ein gut gezielter Fausthieb, doch ohne Pflock hatte er keine Chance.
»Du sagtest, du wolltest ihn aus dem Weg haben«, raunte Beauregard ihr ins Ohr.
Victoria riss den Kopf nach hinten und schmetterte ihn gegen Beauregards Nase, dann versuchte sie wieder, sich aus seiner erstickenden Umklammerung zu befreien. Doch er hielt sie weiter unnachgiebig fest und ließ dabei seine andere Hand um ihre Kehle gleiten, um sie enger an sich zu pressen.
Die Hand drückte zu, schnitt ihr die Luft ab, und Victoria wand sich verzweifelt in seinen Armen, sie stampfte mit den Füßen auf, ließ den Ellbogen nach hinten schnellen, um ihn Beauregard in die Rippen zu stoßen, trat um sich, rang um Atem …
Dann plötzlich wurde sie mit solcher Wucht zur Seite geschleudert, dass sie gegen einen Stuhl stieß und ihre Hand auf den Tasten des Cembalos landete. Sie drehte sich gerade noch rechtzeitig um, um zu sehen, wie die Tür ins Schloss fiel; anschließend herrschte mit Ausnahme der letzten verklingenden, disharmonischen Cembaloklänge Stille in dem Salon.
Stille, aber trotzdem war sie nicht allein.
Ihr Nacken war kalt; ihre Finger zitterten. »Und das nach allem, was er für dich getan hat?«, fragte sie mit demütigend bebender Stimme.
Beauregard bückte sich, um das Papier aufzuheben, das sie hatte fallen lassen, und legte es zurück auf den Tisch. Dann sah er sie an. »Ist es nicht das, was du von mir erwartet hattest? Illoyalität und Manipulation? Was glaubst du wohl, wo Sebastian beides gelernt hat?«
»Du würdest ihn nicht umbringen. Dafür ist er zu nützlich für dich.«
Beauregard gab sich entsetzt. »Ihn umbringen? Aber natürlich nicht. Ich habe ihm lediglich dabei geholfen, deinen Wünschen nachzukommen. Du solltest mir dankbar sein, denn nun können wir uns ohne seine Einmischung unterhalten. Sollen wir jetzt endlich zum
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