Das Buch der Vampire 03 - Blutrote Dämmerung
sagen, und schloss sich mit einem letzten Blick über ihre Schulter den anderen an.
»Ich frage mich, ob Victoria inzwischen zu der Party zurückgekehrt ist«, bemerkte Melly plötzlich, während sie und ihre Gefährtinnen zu der Abzweigung zurückliefen, an der sie, nachdem ihnen aufgefallen war, dass Nilly ihnen nicht mehr folgte, den Gentleman zurückgelassen hatten.
»Ich hoffe, dass sie diesen netten Mr. Zavier gefunden hat«, meinte Nilly, die die Kontrolle über ihr Sprachzentrum endlich zurückerlangt hatte. »Vielleicht lernen sich die beiden ja näher kennen.«
»Das möchte ich ganz gewiss nicht hoffen.« Lady Winifreds Haltung wurde so steif, als ob Nilly eben vorgeschlagen hätte, dass Victoria sich in einen Vampir verlieben solle. »So freundlich er auch sein mag, er ist doch viel zu ungehobelt und unrasiert, außerdem ist er unserer Marquise standesmäßig unterlegen. Immerhin ist sie von einer bloßen Tochter aus gutem Hause zur Gattin des Marquis von Rockley - möge er in Frieden ruhen - aufgestiegen, und da wollen wir doch nicht, dass sie künftig in irgendeiner kalten, zugigen Burg in Schottland lebt. Wo vermutlich Vampire herumschleichen -«
»Meine Damen«, rief ihnen der Gentleman entgegen und winkte sie dabei zu sich. »Sind wir wieder vollzählig?«
»Das sind wir, Sir. Bitte führen Sie uns weiter«, erwiderte Melly, der es recht genehm war, dass sie einander bislang noch nicht vorgestellt hatten.
Als sie gerade zu ihm aufgeschlossen hatten, kam plötzlich
eine hübsche blonde Frau aus einem angrenzenden Gang auf sie zugestürzt. Der Mann drehte sich überrascht um, als die junge Frau auch schon nach seinem Arm griff, um ihn von den drei Damen wegzuziehen. »Endlich! Ich habe schon die ganze Villa nach dir abgesucht!« Dann wurde ihre Stimme sehr leise, aber es klang, als sagte sie irgendetwas über einen … Senator?
»Hoffentlich besteht diese ungezogene junge Dame nicht darauf, uns zu begleiten«, zeterte Winnie mit einem finsteren Blick zu den beiden, die sich inzwischen so weit entfernt hatten, dass sie nicht mehr hören konnte, was sie sprachen. Denn trotz ihrer Klagen über ihr schwaches Sehvermögen funktionierten zumindest Winnies Ohren bestens. Was konnte an einem römischen Senator schon so wichtig sein, dass diese Gans deshalb ihre Schatzsuche stören musste?
Dann ertönte von hinten das Geräusch schwerer, hastiger Schritte. Sie drehten sich um und entdeckten Zavier, der eilig auf sie zugelaufen kam. Er war in Begleitung eines zweiten Gentleman - der Winnie und Melly fremd, Nilly hingegen durchaus vertraut war, denn immerhin hatte der attraktive Blondschopf ihr Tête-à-tête mit dem dunkelhaarigen, blasshäutigen Mann verhindert.
»Da sind Sie ja!«, rief Zavier erleichtert aus. Seine Wangen waren so stark gerötet, dass es selbst in dem spärlichen Licht auffiel, außerdem hielt er etwas in der Hand - etwas Langes, Dünnes und Spitzes -, aber Nilly war die Einzige, die es bemerkte, bevor er das Ding in seine Jackentasche schob. »Wir müssen jetzt gehen«, verkündete er mit einem Blick in die Runde.
Der blonde Mann, der nun ebenfalls zu ihnen getreten war,
spähte in die Dunkelheit hinter ihnen. Aber als die Damen seinem Beispiel folgten, mussten sie feststellen, dass ihr Führer und die junge, blonde Frau verschwunden waren.
»Wir hatten den Schatz schon fast gefunden«, beschwerte sich die Herzogin, als Zavier ihr seinen Arm anbot. »Wir können jetzt nicht einfach gehen.«
»Ich bedaure, doch der Schatz wurde bereits entdeckt, und es ist höchste Zeit, die Villa zu verlassen. Alle anderen Gäste sind längst fort«, erklärte der blonde Mann mit der samtigen Stimme.
»Und was ist mit Victoria?« Lady Melly nahm Zaviers anderen Arm, dann warf sie noch einmal einen Blick nach hinten, um herauszufinden, wo um alles in der Welt der Gentleman abgeblieben sein mochte, der sie hierher gebracht hatte. »Wie irritierend, dass er einfach so verschwunden ist«, murmelte sie. »Er war recht charmant, und ich habe noch nicht einmal seinen Namen erfahren.«
»Victoria hat mir für einige Zeit im Salon Gesellschaft geleistet, dann ist sie, in dem Glauben, dass Sie dies ebenfalls getan hätten, nach Hause gefahren. Nachdem Sie verschwunden waren -« Mr. Zavier musterte Winnie mit grimmigem Blick, den sie mit allem Hochmut, den sie zustande brachte, erwiderte, »- ist sie mit ihrem reparierten Schuh zurückgekehrt und war dann ziemlich enttäuscht, als sie feststellen musste,
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