Das Buch der Vampire 03 - Blutrote Dämmerung
dass Sie ohne sie gegangen waren. Aber kommen Sie nun, meine Damen, wir sollten uns besser auf den Heimweg machen.«
»Erlauben Sie?« Der blonde Gentleman reichte Nilly seinen Arm, dann geleitete er sie zügig den Korridor zurück.
Sollten sich die beiden Herren hin und wieder nach hinten
umgesehen haben, so fiel es den Damen nicht auf; sie waren viel zu sehr darauf konzentriert, mit den langen, flotten Schritten ihrer Begleiter mitzuhalten.
»Aber dies ist nicht der Weg, auf dem wir hereingekommen sind«, protestierte Lady Melly, als sie eine kleine, unscheinbare Tür erreichten, bei der es sich keinesfalls um den prunkvollen Haupteingang handelte, durch den man sie eingelassen hatte.
Die Nachtluft war frostig, und der Halbmond schien auf sie herab, als sie die Villa verließen und auf … Gras traten.
»Meine Schuhe«, quiekte Nilly und hüpfte dabei auf komische Weise von einem Fuß auf den anderen. »Sie sind ruiniert!«
»Kommen Sie weiter«, befahl Mr. Zavier. Er führte sie an der düsteren Hausmauer entlang zum vorderen Teil des Gebäudes, wo ihre Kutsche wartete.
Beim Einsteigen wurden die Damen von ihren knackenden Gelenken daran erinnert, dass sie sich wegen des Karnevals und all der anderen aufregenden Ereignisse während der letzten Woche kaum ausgeruht hatten. Außerdem fiel ihnen auf, dass außer ihrer Kutsche keine andere zu sehen war. Nachdem Mr. Zavier ihnen hineingeholfen hatte, folgte er mit einem geschmeidigen Satz und schlug dabei die Tür hinter sich zu.
Er klopfte energisch gegen das Dach, dann lehnte er sich, von wallenden Röcken und keuchenden Damen umringt, in seinem Sitz zurück. Auch wenn es ihm nicht besonders behagte, von so viel Weiblichkeit umgeben zu sein, er hatte nun mal seine Pflicht zu erfüllen.
Dass der blonde Gentleman verschwunden war, bemerkte
das Trio erst, als die Kutsche bereits von der Straße abbog, an der die Villa lag.
Tatsächlich konnte sich keine der Damen daran erinnern, ihn nach dem Verlassen der Villa noch einmal gesehen zu haben.
»Ich fasse es einfach nicht.« Empört starrte Winnie durch das Rückfenster der Kutsche. »Dieser Lump! Er hat uns mit einem Trick dazu gebracht zu gehen, damit er sich den Schatz selbst holen kann.«
Die drallen Ellbogen vor der ebenso drallen Brust verschränkt, richtete sie den Blick wieder nach vorn, dann brütete sie den ganzen restlichen Weg zur Villa Gardella wortlos vor sich hin.
Kapitel 10
In welchem unsere Heldin in eine kompromittierende Lage gerät
A ls Victoria langsam wieder zu Bewusstsein kam, stellte sie fest, dass ihr der ganze Körper wehtat.
Das Letzte, woran sie sich erinnerte, war, wie Max unter dem Ansturm von Vampiren zu Boden gegangen war; dann hatte man sie von hinten niedergeschlagen, und alles war schwarz geworden.
Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie schon hier lag - wo
auch immer das sein mochte. Sie konnte nichts sehen, alles war rabenschwarz. Auch nachdem sie unzählige Male geblinzelt hatte, um ihre Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen, konnte sie nicht mehr erkennen als vage Schemen.
Sie konnte sich nicht bewegen. Man hatte ihr die Hände auf den Rücken gefesselt, und als sie nun mit den Fingerspitzen herumtastete, trafen sie auf etwas, das sich wie schmutzige Steine oder Ziegel anfühlte. Der Boden unter ihr war von derselben Beschaffenheit, was darauf schließen ließ, dass sie sich in einem unterirdischen Raum befand. Möglicherweise in einem Verlies.
Eine Vorstellung, die ihr gar nicht gefiel.
Hinzu kam, dass ihr Nacken kalt war. Eiskalt, um genau zu sein; er fühlte sich an, als würde ein frischer Wind über ihn hinwegstreichen. Ihre Frisur hatte sich inzwischen aufgelöst, sodass ihr das Haar offen über die Schultern fiel, doch bot es trotzdem keinen Schutz vor der Kälte des Bösen. Ihr Kleid war vollkommen zerknittert, und Victoria war sich ziemlich sicher, dass zumindest ein paar der Rosetten und Volants von den Säumen gerissen worden waren.
Doch war dies nur die kleinste ihrer Sorgen, denn … Sie drosselte ihre rasenden Gedanken zu einem langsameren Tempo, um sich besser konzentrieren zu können. Da sie ohnehin nichts sehen konnte, schloss sie die Augen und lauschte.
Nein. Nein, sie hatte es sich nicht eingebildet.
Eine düstere Vorahnung beschlich sie, und sie erschauderte. Der Geruch war schwach, aber er war da: dieser modrige, faulige, heimtückische Verwesungsgestank eines Dämons.
Dämonen und Vampire? Hier zusammen?
Sie waren Todfeinde - zumindest
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