Das Buch der Vampire 04 - Brennendes Zwielicht
und Victoria wirbelte herum, um sich gleich darauf durch Büsche und Sträucher zu schlagen. Sie stieß sich das Knie an etwas, das spitz war und aus Metall bestand. Es bohrte sich in ihr Bein und schabte über ihren Schenkel. Sie ging weiter, ohne sich um den Lärm zu kümmern, den sie machte, während sie die dünnen, trockenen Äste wegdrückte. Dann sah sie, dass sich vor ihr etwas bewegte.
Sie schrie, um auf sich aufmerksam zu machen, und legte die letzten paar Meter springend zurück. Der Vampir ließ sein Opfer los, und es sackte in einem Haufen aus weiß-goldenem Stoff in sich zusammen. Victoria stürzte sich auf den Vampir und sah das Blut, das ihr aus dem Mundwinkel tropfte.
Die Untote war eine große, dicke Frau, deren Arme so kräftig wirkten wie bei einem stämmigen Mann. Sie lächelte Victoria mit schimmernden R eißzähnen an und wandte sich ihr zu, zum Angriff bereit. »Der weibliche Venator«, knurrte sie.
Victoria musste mehrmals heftig schlucken, als ihr der Geruch von Blut in die Nase stieg. Dann konzentrierte sie sich. Sie erwiderte das Lächeln der Frau und spürte, wie sich ihre eigenen Lippen vor Wildheit verzogen – doch sie verschwendete keine Zeit damit, grimmig und selbstbewusst zu wirken. Mit einem kräftigen R uck brach sie einen handgelenkdicken Ast ab, der so lang wie ihr Bein war, und holte damit aus.
Die Frau packte den Ast – genau wie sie erwartet hatte –, dann riss Victoria daran und brachte den Vampir damit aus dem Gleichgewicht. Als die schwere Kreatur nach vorn stürzte, sprang Victoria zur Seite und versetzte der schwerfälligen Untoten einen Tritt, um dann herumzuwirbeln und den Pflock von hinten tief ins Herz des Bösen zu bohren.
Ehe sich der Staub legen konnte, stürzte sie schon zu dem immer noch am Boden liegenden Opfer und drehte es um. Das Gesicht wurde nicht mehr von einer Maske bedeckt, und Victoria erkannte die schüchterne Miss Melissa Keitherton, die eigentlich immer nur von ihrer geliebten Katze Damian sprach. Sie war noch warm und atmete, und trotz des Bluts, das aus den Wunden an ihrem Hals quoll, war sie nicht allzu schwer verletzt. Es war nur eine kleine Wunde, ein einziger Biss, bei dem noch nicht viel Blut geflossen war. Sie würde es überleben und Damian weiter mit Katzenminze verwöhnen können.
Victoria riss einen Streifen Stoff von ihrem Kleid ab und band ihn fest, aber nicht zu eng, um die Halswunde. Dann warf sie sich Miss Keitherton über die Schulter.
Als sie wieder den Platz vor dem Haus erreichte, bot sich ihr ein wahrhaft höllisches Szenario. Das Haus stand in Flammen und warf unheimliche Schatten auf die Gestalten, die vor dem rotglühenden Hintergrund standen. Qualm drang durch Traufen, Schornsteine und die oberen Fenster, die in der lauen Sommernacht offen gestanden hatten. Der Ballsaal – scheinbar der letzte Raum im Erdgeschoss, den das Feuer erreichte – war mit schwarzem Rauch gefüllt. Am anderen Ende des Raumes waren jedoch erste Flammen zu sehen, die nur langsam vorankamen, weil das Feuer hier nur wenig Nahrung fand.
Victoria ließ ihre Last sanft zu Boden gleiten, drehte sich um und sah, dass die letzten beiden kämpfenden Vampire merkten, dass man ihre Gefährten vernichtet hatte, und nun die Flucht ergriffen. Sie sprangen schnell und geschmeidig ins Dunkel, und Victoria konnte nicht widerstehen. Besser es gab niemanden mehr, der Lilith oder sonst jemandem berichten konnte.
Doch als sie sich wieder ins Dunkel stürzte, ohne auf ihr mittlerweile völlig zerfetztes Kleid und die rutschende Silberbrosche auf ihrer Schulter zu achten, hörte sie hinter sich ein lautes Geräusch. Abrupt blieb sie stehen und wandte sich um. Sie sah gerade noch, wie das Dach des Hauses in sich zusammenbrach. Schreie, vermischt mit dem Brüllen des Feuers, drangen an ihr Ohr … und veranlassten Victoria dazu umzukehren.
Sie ließ die Vampire laufen, und plötzlich fiel ihr auf, dass sie Gwendolyn gar nicht gesehen hatte. Hatte sie es geschafft, das Haus zu verlassen? War vielleicht anderen im Haus der Weg nach draußen abgeschnitten? Max?
Und was war mit George und Sara? Genau in dem Moment, in all dem Aufruhr, erkannte Victoria den Ablauf der ganzen Tragödie – und warum es dazu gekommen war.
Keuchend raste Victoria zum Haus zurück und kam gerade rechtzeitig, um das Läuten der Feuerglocke zu hören, als das Löschfahrzeug eintraf. Zwar war es nicht möglich, das Wasser schnell genug zu pumpen, um zu verhindern, dass das ganze Haus
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