Das Buch der Vampire 04 - Brennendes Zwielicht
standen und voller Entsetzen das Haus ansahen, schienen offensichtlich von dem Kampf zwischen Sterblichen und Vampiren gar nichts zu bemerken. Sogar von draußen konnte man die orangefarbenen Flammen sehen, die an der geschlossenen Tür zwischen Ballsaal und Vorraum leckten. Die immer noch verkleidete Gesellschaft rief und schrie, völlig ahnungslos, dass hinter ihnen eine rotäugige, noch viel größere Gefahr lauerte. Es mussten mehr als ein Dutzend Untote sein, die herumstanden, kämpften und auf der kleinen Lichtung angriffen, wo die Gartenanlage in dichteres Buschwerk überging.
Victoria beobachtete, wie zwei Vampire gemeinsam einen Satz nach vorn machten und zwei Gäste am Rande der Menge packten und in den dunklen Teil des Gartens zerrten. Das eine Opfer hatte immer noch seine Maske auf und war als mittelalterlicher Kreuzritter mit einer dunkelroten Tunika verkleidet. Beim anderen Opfer handelte es sich um eine Frau, die ein cremefarben-goldenes Kleid im griechischen Stil trug.
Sie wollte hinter ihnen hereilen, wurde aber von einer Faust gepackt, die sie an ihrem Kleid nach hinten riss. Taumelnd drehte sie sich um und blickte in die roten Augen eines Untoten.
Sie rammte dem Vampir, der sie festhielt, den Ellbogen von unten gegen das Kinn. Ein Knallen und Krachen war zu hören, als die Kieferknochen aufeinanderschlugen. Er stolperte nach hinten, und die Spitze ihres Pflocks besorgte den R est. Kaum dass die Wolke aus Staub aufstieg, in die er sich auflöste, drehte sie sich auch schon wieder um.
Jemand raste auf sie zu, und gleich darauf war das leise Puffen eines sich auflösenden Vampirs zu hören. Sebastian, der mit seinen nackten Beinen so schön und golden wie Adonis selbst war, sprang auf die Bank. Er nickte ihr kurz zu. Als zwei Untote auf sie zugestürzt kamen, wirbelte Victoria in die eine Richtung und Sebastian sprang … beider Pflöcke trafen ihr Ziel.
Victoria schaute sich um und merkte, dass sich der rosige Schleier etwas verflüchtigt hatte. Alles war voller Menschen, die auf dem nassen Rasen im Hof standen, ohne zu bemerken, dass Vampire im Schatten lauerten und nur darauf warteten, ein Opfer zu packen und sein Blut zu trinken. Was hielt sie eigentlich davon ab, nach vorn zu stürzen und sich ihre Beute zu holen? Oder sie zusammenzutreiben und wegzubringen?
Vielleicht lag es daran, dass sie, Max und Sebastian hier waren und mit ihren Pflöcken herumwirbelten. Dann hielt Victoria inne. Ihre Theorie war gar nicht richtig; denn von Max’ hoher, dunkler Gestalt war nichts zu sehen.
Das letzte Mal hatte sie ihn gesehen, als James sie auf die Tanzfläche geführt hatte. Max war gerade auf die Tische mit den Speisen und Getränken zugegangen.
Die plötzliche Erinnerung, dass er seine vis gar nicht mehr trug, versetzte ihr einen schmerzhaften Stich in der Magengegend.
Etwas gab ihr von hinten einen Stoß, und sie fiel hin. Doch sie nutzte die Vorwärtsbewegung, um einen Purzelbaum zu schlagen – eine sehr undamenhafte Technik, die Kritanu ihr gerade erst beigebracht hatte – und dann sofort wieder mit dem Pflock in der Hand aufzuspringen. Der Vampir war hinter ihr her gestürzt, und als sie wieder festen Stand hatte, drehte sie sich um und griff an. Dummkopf, dachte sie, als er explodierte.
Als sie sich wieder zu der Menschenmenge umwandte, erinnerte sie sich an die beiden Partygäste, die von den Vampiren weggeschleppt worden waren. Ein schneller Blick zu Sebastian überzeugte sie davon, dass dieser zu einem überraschend energischen Vampirpfähler geworden war. Victoria raste auf den Weg zu, den die beiden Vampire mit ihrer Beute eingeschlagen hatten.
Sie rannte den dunklen Weg entlang, kannte aber den Garten nicht und hatte keine Ahnung, wie er angelegt war. Große, schwarze Aschewolken flogen wie kleine Fledermäuse durch die rauchgeschwängerte Luft. Sie stolperte über einen Stein und fiel fast in eine Buchsbaumhecke oder irgendein anderes stacheliges Gestrüpp. Im letzten Moment fing sie sich wieder, hielt inne und lauschte. Sie hatte Sebastian zurückgelassen, um allein mit den anderen Vampiren fertig zu werden, während sie hinter denen her jagte, die bereits das Blut ihrer Opfer tranken … sie war sich nicht sicher, ob sie das Richtige tat.
Aber sie konnte einfach nicht zulassen, dass die beiden im Schatten von R osensträuchern umgebracht wurden.
Und Max konnte auf sich selbst aufpassen – wo auch immer er sein mochte.
Plötzlich vernahm sie einen leisen, gurgelnden Schrei,
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