Das Buch der Vampire 04 - Brennendes Zwielicht
getan hatten, wie sie dabei geholfen hatten, Mr., Miss oder Lady Soundso herauszuholen.
Sie fühlte sich jetzt klarer. Stärker.
Victoria drehte sich zum Haus um, das in sich zusammengestürzt war und immer noch wild loderte. Die Blätter einer eleganten Pappel, die zu dicht am Gebäude gestanden hatte, waren alle verbrannt. Das Feuer verbreitete immer noch eine glühende Hitze, aber dagegen ließ sich nichts machen. Irgendwann würde das Feuer von allein ausgehen; man konnte nur verhindern, dass es sich weiter ausbreitete.
Noch immer kam man nicht dicht genug an das Gebäude heran, um Löschwasser zu verteilen. Drinnen konnte es keine Überlebenden geben. Wie viele waren umgekommen?
Wer?
Victoria drehte sich um. Immer noch schweifte ihr Blick suchend umher; denn eigentlich war sie nicht bereit, jetzt schon mit Sebastian wegzugehen. Da bemerkte sie einen großen, dunklen Mann mit spitzer Nase. Ihr Herz machte einen Satz, und sie wollte sich schon in seine Richtung stürzen – doch dann trat er aus dem Schatten.
Mr. Bemis Goodwin.
Er sah sie, und sie spürte das widerliche Gewicht seines Blickes auf sich ruhen, während er sie musterte. Sie konnte sich nur zu gut vorstellen, was er sah – ein zerrissenes Kleid, überall Blutflecken und völlig zerzaustes Haar. Er kniff die Augen zusammen und obwohl er keinen Ton sagte, sie nur mit einem kurzen Nicken begrüßte – spürte sie sie.
Die Feindseligkeit.
Sebastian schloss sie in seine Arme. Sie hatte ihm nichts von Goodwin erzählt, und somit konnte er auch nichts über ihn wissen. Aber sie spürte, wie sie von einer bösen Vorahnung erfasst wurde.
»Lass mich dich nach Hause bringen, Victoria«, wiederholte Sebastian. Sein Kinn strich seitlich an ihrem Kopf entlang, und sie hob den Blick, um über seine Schulter zu schauen.
»Noch nicht«, erwiderte sie, während sie weiter versuchte, das Dunkel zu durchdringen.
In dem Moment erschien eine dunkle Gestalt und schlug einen großen Bogen um die Vorderseite des Hauses. Offensichtlich hatte er sie nicht gesehen, denn er ging schnell, wenn auch etwas unsicher und tauchte in der Menge unter. Es gab keinen Zweifel.
»Max«, hauchte Victoria und ihr ganzer Körper entspannte sich vor Erleichterung. Dann war sie plötzlich ganz nervös, und Wärme stieg in ihr auf. »Gott sei Dank.« Sie sah ihm hinterher und versuchte zu erkennen, ob er verletzt war. Wo war er gewesen?
»So sieht’s also aus«, murmelte Sebastian, so leise, dass sie nicht sicher war, ob er überhaupt etwas gesagt hatte. Dann merkte sie, dass sie sich von ihm gelöst und einen Schritt in Richtung der Leute – und Max – getan hatte.
»Bitte?« Victoria schaute zu ihm zurück.
Seine Miene wirkte angespannt und streng, und seine Lippen verzogen sich zu einem freudlosen Lächeln. »Ach, Victoria … sei kein Narr. Er will dich nicht. Er will niemanden.«
Kapitel 12
In dem Sebastian und Victoria eine ereignislose Kutschfahrt machen
D ie Kutsche rumpelte durch die dunkle Straße. Im Innern hing der Geruch von Rauch, den die drei Insassen verströmten.
Victoria saß neben Sebastian, einem völlig verdreckten Max gegenüber, der ein grimmiges Gesicht zog.
Sie waren alle völlig erschöpft, ihnen brannten Kehle und Lunge vom Rauch, die Augen waren trocken und juckten, ihre Kleidung war zerrissen und voller R uß. Aus der Wunde an Victorias Schenkel sickerte immer noch Blut, und die Kratzer in ihrem Gesicht hatten nicht aufgehört zu brennen.
Sie hatte Max förmlich in die Kutsche schieben müssen, um zu Tante Eustacias Haus zurückzufahren, mit der Begründung, dass sie doch ohnehin in die gleiche Richtung wollten. Seitdem er sich übellaunig auf seinen Platz gesetzt und sich so breit gemacht hatte, dass niemand neben ihm sitzen konnte, auch wenn er es wollte, hatte er keinen Ton mehr von sich gegeben.
Sein Blick dagegen sprach Bände. Er musterte sie durchdringend – ohne ihr allerdings in die Augen zu sehen – und ließ dabei auch Sebastian nicht aus, bis er sich endlich abwandte, um aus dem Fenster der Kutsche zu schauen. Seine Maske hatte er schon lange nicht mehr auf, und auch Hut und Umhang, mit dem sie ihn aufgezogen hatte, waren verschwunden. Die Bartstoppeln ließen sein Gesicht dunkler wirken. Die Augen lagen tief in ihren Höhlen, und seine Haut schien sich in den letzten Stunden straffer über sein Gesicht gelegt zu haben. Seine eleganten Hände lagen im Schatten.
Sebastian rührte sich auf seinem Sitz und verbreitete damit den
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