Das Buch der Vampire 05 - Sanfte Finsternis
sah, dass ich die Ringe nicht abnehmen konnte und dass sie und ihr Gefährte... habe ich eigentlich erwähnt, dass der Wächter aufgespießt wurde, kurz nachdem wir die Kugel gefunden hatten? Was Mercy und den anderen betrifft... tja, die beiden haben unsere gute Illa Gardella verärgert. Deshalb sind sie nicht mehr, muss ich leider mitteilen. Aber jetzt hast du ja mich, um sie zu ersetzen, wenn du bereit bist zu verhandeln.«
»Was sollte mich daran hindern, dass ich dich einfach dazu zwinge, wieder hinzugehen und das Prisma für mich herauszuholen?«
»Das hier.« Sebastian zog ein kleines Rohr hervor, das nicht dicker war als der Stängel einer Blume. Eine einfache Waffe, die bei den Wächtern, von denen ihm seine Pflöcke und das Schwert abgenommen worden waren, kein Misstrauen erweckt hatte. »Ich schieße den Giftpfeil in dem Moment ab, in dem du nach den Wächtern rufst oder etwas anderes tust als das, worum ich dich gebeten habe. Pesaro wird sofort tot sein, denn ich werde ihn nicht verfehlen. Und was mich angeht, auch da halte ich eine Dosis bereit. Wir werden beide tot sein, ehe du auch nur einmal blinzeln kannst.«
»Aber die Ringe... ich kann sie dir abnehmen, nachdem du tot bist«, meinte Lilith abweisend. Trotzdem sah er eine gewisse Vorsicht in ihren Augen.
»Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Oder vielleicht versuchst du ja auch, mich zu verbrennen, nachdem ich tot bin, um an sie zu gelangen; aber dann könnte es natürlich sein, dass sie dabei zerstört werden. Bist du bereit, dieses Risiko auf dich zu nehmen?« Er trat dichter an sie heran. »Und warum solltest du eigentlich? Ich biete mich dir an... Beauregards Enkel. Was für ein Fang das für dich wäre. Und um ganz offen zu sein: Ich bin viel unterhaltsamer als dieser dumpf brütende Typ da in der Ecke. Ich habe nie begreifen können, was du eigentlich an ihm
findest. Er ist kein bisschen unterhaltsam. Wahrend ich... Nun ja, du kanntest ja Beauregard.«
Die Worte kamen ihm leicht über die Lippen. Sebastian hatte Frauen jahrelang umworben und verfuhrt, sodass es ihm nicht schwerfiel, in das alte Verhaltensmuster zurückzufallen. Er versuchte zu vergessen, dass dies hier anders war; dass dieses Tete-à-tete weit reichende, ewige Folgen haben würde.
Er konnte es durchhalten, einen Tag nach dem anderen.
Einen Tag nach dem anderen, um sein Versprechen zu halten. Und er wusste, am Ende würde es für Giulia sein — und für Victoria -, dass er sich opferte.
»Das heißt also, entweder du oder keiner von euch beiden?«
»Genau. Dir bleibt keine große Wahl, aber ich glaube, du machst das bessere Geschäft dabei.«
Lilith erhob sich von der Chaiselongue und begann auf und ab zu gehen. Als sie zu Pesaro kam, strich sie mit der Hand über sein dunkles Haar und die gebeugten Schultern. Er reagierte nicht auf ihre Berührung, sondern blieb so ruhig und still, als wäre er betäubt. »Und ich soll dir glauben, dass du meinen kleinen Liebling hier innerhalb von einer Sekunde töten kannst?«
Schnell setzte er das Röhrchen an die Lippen und blies mit aller Kraft. Der Pfeil schoss durch die Luft und bohrte sich vorn in Pesaros Schulter, gleich unterhalb der Stelle, wo Liliths Hand lag. Max merkte man nicht an, dass er getroffen worden war, doch sie schaute überrascht... und erfreut... zu ihm auf.
»Tatsächlich. Ich hoffe doch, dass das nur ein Warnschuss war, oder? Ein Beweis für deine, sagen wir, Bereitwilligkeit?«
Sebastian nickte und hoffte inständig, dass sie seinen Bluff nicht durchschaute. Denn in Wirklichkeit war keiner der Pfeile vergiftet. Er schwenkte drohend das Röhrchen. »Ich habe noch drei weitere hier drin, und die sind alle vergiftet. Der nächste wird erst ihn töten und dann mich.«
»Du stellst mich vor eine unmögliche Wahl«, sagte Lilith und schob ihre Finger tief in Pesaros Nackenhaar. Sie riss seinen Kopf hoch und beugte sich über ihn, um träge an seinem Kinn und Kiefer zu knabbern. »Ich möchte ihn nicht gehen lassen.«
Sebastian schluckte, setzte aber sein charmantestes Lächeln auf. »Eine schwierige Entscheidung, aber längst nicht so unmöglich wie die, vor die du ihn erst vor ein paar Tagen gestellt hast. Jetzt komm, Lilith. Du weißt, dass du dabei besser wegkommst. Allein das Prisma müsste es wert sein, sich von diesem Mann zu trennen, der kaum mehr tut, als düster in einer Ecke zu sitzen und dir Schwierigkeiten zu machen. Und davon abgesehen ... du hättest Beauregards Enkel. Einen Venator.
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