Das Buch der Vampire 05 - Sanfte Finsternis
ausholen. Würde sie den Zustrom seiner Lakaien aufhalten, wenn sie ihn tötete?
Wenn sie ihn mit einem Hieb am Hals traf. Mit einem guten Hieb.
Er wich zur Seite aus und zog mit einer geschmeidigen Bewegung sein eigenes Schwert. Der Dämon schrie auf, als ihre Schwerter aufeinanderkrachten, sodass die Pferde scheuten.
Victoria presste die Beine fest an den Leib ihres Pferdes, als dieses strauchelte und einen Ruck zur Seite machte. Dann holte sie mit ihrem Schwert aus und zielte auf seinen Hals.
Der Dämon wich zurück und wehrte jeden Schlag ab, ohne sie aber anzugreifen.
Ein schneller Blick über die Schulter zeigte Victoria, dass die tosende schwarze Wolke über dem Friedhof höher gestiegen war, und sie bemerkte den Schimmer von Mondlicht.
In einem verzweifelten letzten Versuch stellte Victoria sich in den Steigbügeln auf und holte mit dem Schwert weit zu einem kräftigen Hieb aus. Er wich erst im letzten Moment aus, und die Klinge schlitzte knapp unterhalb der Schulter seine Jacke an Arm und Brust auf. »Victoria!«, brüllte er.
Durch die Wucht ihres Hiebes schwang die schwere Klinge in einem weiten Bogen weiter... und dann sah sie das Blut.
Blut.
Der Anblick ließ sie im letzten Moment stocken, ehe die Klinge ihn voll auf der anderen Seite traf, und weil er schnell auswich, bewahrte ihn das davor, auch den anderen Arm aufgeschlitzt zu bekommen.
»Allmächtiger. Ich weiß, dass du wütend bist, aber...«
»Max!«, brüllte sie in einer Mischung aus Entsetzen, Schock und Unglauben.
»... aber mich deshalb gleich umbringen zu wollen!«
»Du bist es wirklich!« Sie drängte ihr Pferd ganz dicht neben seins. Das Schwert ließ sie an der Seite herunterhängen.
Max streckte die Arme aus, packte sie vorn am Hemd und zog sie aus dem Sattel zu sich herüber, um sich dann mit seinem Mund auf ihre Lippen zu stürzen. Sie fiel fast auf seinen Schoss, klammerte sich an seinen Schultern fest - von denen die eine feucht von Blut war - und erwiderte seinen Kuss wie eine Rasende.
»Verdammt, Victoria, was zum Teufel hast du dir dabei gedacht?«, fragte er, nachdem er sie einen Moment lang so fest an sich gedrückt hatte, dass ihr fast alle Luft aus der Lunge gepresst worden war. Sie spürte die Nässe auf seiner Wange, als seine Wimpern über ihre Haut strichen.
»Ich dachte, du seist ein Dämon«, sagte sie und löste sich gerade so lange von ihm, um das Schwert in die Scheide zurückzuschieben. Aber ehe sie sich wieder in seine Arme werfen und sein Gesicht berühren konnte, um sich davon zu überzeugen, dass es wirklich er war, veränderte sich seine Miene.
»Schau«, sagte er gepresst.
Victoria sah, dass er über ihre Schulter hinweg Richtung Friedhof blickte. Sie verdrängte die Freude über das Wiedersehen für den Moment und drehte sich um.
»Oh mein Gott.« Ihr Magen verkrampfte sich, als sie die Ausmaße der sich windenden schwarzen Masse über dem Friedhof sah, und sie ließ sich wieder in ihren Sattel zurückgleiten. Mit energischem Schenkeldruck zog sie ihr Pferd am Zügel herum und ließ es angaloppieren.
Das war also der Grund, warum der Dämon so hartnäckig versucht hatte, sie wegzulocken. Adolphus war wohl dabei, das Portal aufzubrechen.
Gott sei Dank hatte sie nicht auf ihn gehört.
Gott sei Dank hatte sie Max in ihrem verwirrten Zustand nicht niedergemetzelt.
Max zögerte keine Sekunde und folgte ihr sofort. Als sie an der Wirtschaft vorbeirasten, sah sie Brim und Michalas bereits nach draußen stürzen, um sich ihnen anzuschließen.
Victoria hing mit gezogenem Schwert tief über dem Hals ihres Pferdes. Die flatternde Mähne schlug ihr ins Gesicht, als sie die staubige Straße entlangdonnerten. Es war jetzt nicht mehr ganz so dunkel, nachdem die Wolken aufgerissen waren und wunderbarerweise ein paar Mondstrahlen dahinter hervortraten.
Victoria schaute während des wilden Galopps nach oben und sah, dass die Ränder der Wolken von Mondlicht eingefasst waren und eventuell die geringe — die ganz geringe — Möglichkeit bestand, dass sie weiter aufrissen und noch mehr Mondlicht hindurchließen.
Bitte, lieber Gott. Gewähre uns ein Wunder.
Sie könnten die Dämonen mit ihren Schwertern zurückdrängen, wie sie es auch schon in London getan hatten. Dann hätte sie die Gelegenheit, die Kugel aus ihrer Tasche zu ziehen. Wenn der Mond tatsächlich hell genug schien, um die Wolken zu durchdringen, könnte sie das Portal schließen.
Als würde er ihre Gedanken lesen, schaute Max, der auf
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