Das Buch der Vampire 05 - Sanfte Finsternis
machen.
Oder um ihr die Waffe an die Hand zu geben, mit der Lilith vernichtet werden konnte.
Diese Möglichkeit war beinahe unwiderstehlich reizvoll.
In dem kleinen Dorf hier gab es keine Vampire, die man hätte jagen können; wahrscheinlich waren sie von den Dämonen vertrieben worden. Und jetzt, wo die Sonne gänzlich untergegangen war, hingen die Wolken dick und schwer am Himmel und verhüllten den Mond so vollkommen, dass noch nicht einmal ein winziger Strahl die Möglichkeit hatte, auf die Erde zu fallen. Die Nacht lag dunkel und schwer über dem Friedhof. Nicht einmal die weißen Grabsteine hoben sich von der dunklen Erde ab, in der sie standen.
Victoria trug Tacheds Kugel in der Tasche bei sich, falls die Wolken doch noch aufreißen sollten und sie die Möglichkeit bekamen, sie zu benutzen. Im Moment jedoch saß sie auf ihrem Pferd auf dem kleinen Hügel und beobachtete den Friedhof. Und wartete.
Hoffte, dass etwas passierte.
Der Ort lag hinter ihr und war nah genug, um Stimmen aus der Wirtschaft, in der Brim und Michalas geblieben waren, zu ihr dringen zu lassen. Sie hatte ihnen aufgetragen, dort auszuharren, die Wolken zu beobachten und zu ihr zu kommen, sobald sich irgendetwas veränderte. Sie waren nah genug, dass sie nach ihnen rufen konnte, sollte es notwendig werden. Aber im Moment wollte Victoria nur allein sein. Sie waren beide zu sehr bemüht, eine fröhliche Miene zu zeigen und sie abzulenken.
Das letzte Mal, als sie nach der Zeit gesehen hatte, war es kurz vor Mitternacht gewesen.
Wenn irgendetwas durch das spaltbreit geöffnete Portal kommen wollte, würde es das im dunkelsten Moment der Nacht tun. Der Versuch des Dämons, sie wegzulocken, bestärkte Victoria in dem Verdacht, dass bald etwas passieren würde. Er war zu sehr darauf bedacht gewesen, dass sie heute Nacht nicht da war; und obwohl sie ihn vertrieben hatte, gab sich Victoria keineswegs der Illusion hin, er könnte aufgegeben haben.
Während sie die Umgebung musterte, war ihr Blick nicht nur auf das kleine, flache Gebäude gerichtet, das als sichtbarer Platzhalter für das Portal diente, sondern auch auf den Himmel darüber. Die tief hängenden, schweren Wolken, silbrig überhaucht vom hinter ihnen verborgenen Mond, hatten angefangen sich zu bewegen.
Hoffnung ließ Victoria die Zügel aufnehmen und ihr Pferd rückwärtsrichten, um Brim und Michalas Bescheid zu sagen, während sie die ganze Zeit über den Friedhof nicht aus den Augen ließ. Die Wolken hatten eindeutig begonnen, sich zu bewegen, und gleichzeitig nahm die Dunkelheit unter ihnen zu.
Die Dämonen.
Sie waren freigesetzt.
Victorias Herzschlag beschleunigte sich, und sie wendete das Pferd, um zum Dorf zurückzureiten. Die ganze Zeit blickte sie über die Schulter zurück, während sie ihrem Pferd die Sporen gab.
Die Straße war dunkel und leer, doch aus der Wirtschaft dröhnte raues Gelächter, und warmes Licht fiel nach draußen. Gerade als Victoria sich von ihrem Pferd schwingen wollte, um nach drinnen zu stürzen und die anderen zu holen, sah sie ihn am anderen Ende der Straße stehen.
Max.
Ihr Herz setzte einen Schlag aus, und sie musterte wieder die unverkennbare Gestalt, die so groß und geschmeidig im Sattel saß und schnell auf sie zugeritten kam.
Es war unmöglich.
Das war wieder Adolphus, der sie vom Friedhof weglocken wollte, wo die Dämonen durchs Portal strömten.
Sie gab ihrem Pferd die Sporen und galoppierte auf ihn zu, während sie über die Schulter zu den wirbelnden Wolken und dem aufsteigenden schwarzen Nebel blickte.
Das kann nicht sein.
Hoffnung stieg in ihr auf. Dann drängte sie sie zurück. Er begrüßte sie mit hoch erhobenem Arm, und ihr Herzschlag beschleunigte sich... um gleich darauf von Verzweiflung gelähmt zu werden. Er war allein.
Sebastian war zu ihm geritten, um ihn zu retten. Bestimmt wäre er doch bei ihm, wenn es ihm gelungen wäre, ihn zu befreien.
Victoria wollte ihn schon ignorieren. Sie wendete ihr Pferd, um zum Friedhof zurückzugaloppieren und dort die Dämonen zu bekämpfen. Doch dann ließ ein lauter Ruf sie innehalten, und sie sah, dass er sein Pferd antrieb, um sie einzuholen.
Sie sah sein müdes, mit Bartstoppeln bedecktes Gesicht, die tief in den Höhlen liegenden dunklen Augen. Es war zu dunkel, um seinen Gesichtsausdruck zu erkennen - doch was auch immer sie dort sah, es würde nicht wahr sein. Das alles war nicht real.
Die zerschlagenen Hoffnungen ließen sie vor Wut das Schwert ziehen und nach ihm
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