Das Buch der Vampire 05 - Sanfte Finsternis
gleicher Höhe mit ihr ritt, zu ihr hinüber. »Hast du die Kugel?«, brüllte er. »Ja.«
Ein grimmiges Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, als er mit gezücktem Schwert den Blick wieder nach vorn richtete. Victoria ließ ihn einen Galoppsprung vor sich reiten und gab sich ganz kurz noch einmal ihrer Freude darüber hin, dass er wieder da war. Max war zurück, in alter Frische und unverletzt ... bis auf die Wunde, die sie ihm gerade mit ihrem Schwert zugefügt hatte.
In dem Moment erinnerte sie sich an Sebastian. Wo war er? Hatte er nicht Max holen wollen?
»Wo ist Sebastian?«, rief sie. »Hast du ihn gesehen?«
Max schüttelte den Kopf mit wehendem Haar. »Er ist dageblieben. Bei Lilith.« Auf seinem Gesicht lag weiter dieser grimmige Ausdruck.
Er war bei Lilith geblieben? Nein. Das konnte nicht sein. Doch nicht Sebastian.
Sie holte tief Luft und verdrängte die plötzlich aufsteigende Furcht. Zuerst das hier.
Und dann würde sie ihren ursprünglichen Plan weiterverfolgen, Lilith zu finden und umzubringen. Doch dieses Mal würde es sein, um Sebastian zu retten, nicht Max.
Sie hoffte nur, dass er noch unversehrt war.
Als sie den kleinen Hügel hinunter zu dem steinigen Grund rasten, wo der Friedhof lag, griff Victoria tief in ihre Hosentasche. Die kleine Kugel hatte ihre Körperwärme aufgenommen, und sie schloss ihre Finger fest um sie.
Die Kristallkugel passte genau in ihre Hand und war klein genug, um ihre Finger fast ganz darum zu schließen. So leicht würde sie sie also nicht fallen lassen.
Der schwarze Nebel wirbelte und toste, als sie näher kamen, und es waren die gleichen roten Augen in ihm zu sehen wie bei den fliegenden Geschöpfen damals in London. Sie ließen ihre Pferde über die zaunähnliche Begrenzung aus Steinen springen und ritten mitten in die widerlichen schwarzen Wolken hinein.
Kaum hatten sie die unsichtbare Mauer des Friedhofs durchbrochen, begannen die Schatten sich auf sie zu stürzen. Brim und Michalas blieben Victoria und Max mit gezückten Schwertern dicht auf den Fersen, während diese auf die angreifenden Dämonen einschlugen.
Victoria klammerte sich nur mit den Knien an ihrem Pferd fest, während sie es immer weiter in den schwarzen Wirbel trieb. Mit der einen Hand schwang sie das Schwert, und in der anderen hielt sie die Kugel bereit, um sie jeden Moment aus der Tasche zu ziehen und ins Mondlicht zu halten.
Wortlos rückten Victoria und Max gemeinsam vor und trieben ihre sich sträubenden Pferde auf das kleine Gebäude zu, wo der wirbelnde Nebel besonders dicht war. Sie beobachtete den Himmel, während sie rotäugigen Schatten auswich und nach dem Mond Ausschau hielt. Dabei war sie sich die ganze Zeit über Max' mächtiger Klinge bewusst, die neben ihr Hieb um Stich austeilte.
Je näher sie dem Gebäude kamen, desto undurchdringlicher wurde die Dunkelheit, die Schlagkraft ihrer Angreifer kräftiger, kälter, lähmender. Victoria spürte, wie Klauen über ihre Schultern strichen, nach ihrem Haar griffen und ihr Pferd zum Wiehern und Taumeln brachten. Es scheute in Panik und stampfte verzweifelt mit den Hufen, während es versuchte auszubrechen, buckelte und bockte, während ihr gleichzeitig von oben zugesetzt wurde.
Ihre Schwert schnitt durch den Hals eines fliegenden Dämons, und während dieser in kleinen Wirbeln schwarzen Rauchs zerstob, holte sie schon wieder aus, um einen anderen Dämon daran zu hindern, seine Krallen in Max' Schulter zu schlagen. Der Kampf artete zu einem Tumult aus stampfenden Hufen, tosendem Wind, zupackenden Klauen und dem widerlichen Gestank von Dämonen und toter Asche aus.
»Victoria!«
Sie ließ ihr Schwert hoch durch die Luft sausen, als sie ihren Namen trotz des tosenden Sturms hörte, und schaute zu Max.
Dieser kämpfte mit geschmeidigen, glatten Bewegungen, duckte sich und wich aus, während er immer wieder mit seinem Schwert ausholte und zuschlug, als eine neue Woge von Dämonen auf ihn zuströmte. Aber sie sah, worauf er sie hatte hinweisen wollen.
Ein zarter Mondstrahl fiel auf die schwarze Erde.
In dem Moment stieß dicht neben ihr ein Schatten herab. Ihr Pferd drehte plötzlich eine verängstigte Pirouette, und sie verlor das Gleichgewicht, sodass sie vom Pferd stürzte. Trotzdem gelang es ihr, das Schwert festzuhalten und auch die Kugel nicht zu verlieren. Sie krachte seitlich auf einen Grabstein, sodass ihr einen Moment lang die Luft wegblieb.
Klauen stürzten sich auf sie, schlitzten ihr erst die Seite und
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