Das Buch der Vampire 05 - Sanfte Finsternis
wie ihre Beine nachgeben wollten und ihr Magen sich zusammenzog. Vor ihren Augen tanzten Sterne, deren Strahlen mit den rotorangefarbenen Flammen der Fackeln neben der Tür, die ihr unangenehm nah waren, wetteiferte.
Finger schlossen sich um ihre Kehle, und sie keuchte, um im nächsten Moment ihren ganzen Körper schlaff werden zu lassen, während sie den Pflock hinter dem Rücken versteckt hielt. Das Kruzifix um ihren Hals ließ den Vampir nur kurz zusammenzucken. Es musste wohl ein sehr mächtiger Vampir sein. Wahrend er sie hielt, rutschte der Anhänger unter ihrem Hemd hervor, und er zerrte an der Kette. Sie riss, und das Kruzifix fiel auf den Boden.
Seine Hand drückte immer noch zu, sodass sie kaum Luft bekam. Sie zählte und behielt weiter ihre schlaffe Haltung bei, zwang sich dazu, sich nicht zu rühren und auch nicht das Bewusstsein zu verlieren.
Endlich, als sie es nicht mehr länger aushalten konnte - das Pochen in ihrem Kopf, den Sauerstoffmangel, die Berührung seiner untoten Hand —, lockerte er seinen Griff etwas. Sie schnappte nach Luft, riss ihr Knie hoch und trat ihm dann mit dem Fuß in den Unterleib.
Überrascht ließ er sie los, und sie sackte zu Boden, wo sie keuchend Luft holte und versuchte, wieder einen klaren Blick zu bekommen. Der Vampir stand über ihr und wollte sich auf sie stürzen, als ihre Hand mit dem Pflock hochkam. Der Pflock traf ihn mitten ins Herz, als er sich über sie beugte.
Er erstarrte und zerstob in einer widerlich stinkenden Wolke aus Asche, die auf sie herabrieselte.
Nachdem sie sich mühsam wieder aufgerafft hatte, stellte Victoria fest, dass der Vampir, den sie gezwungen hatte, ihr zu helfen, verschwunden war. Sie hoffte nur, dass er keine Verstärkung holte.
In ihrem Kopf dröhnte es, und sie spürte immer noch die Nachwirkungen der Finger, die so fest um ihren Hals gelegen hatten, dass ihr die Luft abgeschnürt worden war. Aber jetzt stand sie wieder, und sie drückte den Rücken durch. Das war noch gar nichts gegen das, was sie hinter der Tür erwartete, wenn sie Lilith gegenübertrat.
Sie hörte einen Schrei hinter der Tür und wappnete sich, indem sie eine der Fackeln aus der Halterung nahm. Gleich würde jemand durch die Tür kommen.
Sie hatte Recht gehabt. Sekunden später sprang die Tür auf, und sie schleuderte die Fackel dem Ersten entgegen, der durch sie hindurchkam. Feuer konnte Vampiren nicht wirklich etwas anhaben, aber es diente zur Ablenkung, denn es erfasste seine Haare und die Kleidung, sodass sie ihren Pflock dem Untoten, der hinter ihm war, in die Brust stoßen konnte.
Dann glitt sie, gewandt durch jahrelange Übung, durch die offene Tür und schlug sie hinter sich zu, ohne auf das wütende Kreischen des brennenden Vampirs zu achten.
Sie drehte sich um.
Der erste Eindruck, den sie von dem Raum bekam, war Röte. Und Hitze. Und drückende Schwere.
Aber mehr als einen schnellen, prüfenden Blick über die mit Seide bespannten Wände, den mit Teppichen bedeckten Boden, die beiden Feuerstellen, in denen Flammen loderten, und die einzelnen Möbelstücke, die auch blutrote Bezüge hatten, erlaubte sie sich nicht.
Und schließlich blieb ihr Blick an Lilith hängen, die tatsächlich überrascht wirkte, Victoria zu sehen.
Die Vampirkönigin stand leicht gebeugt und schien bei irgendetwas gestört worden zu sein, als sie ihre Besucherin anschaute. Dann richtete sie sich auf, und der überraschte Ausdruck verschwand von ihrem Gesicht. »Victoria Gardella.«
»Wo ist Sebastian?«, fragte sie und ließ ihren Blick wieder durch den Raum schweifen.
»Na, aber hier ist er doch.« Lilith machte eine lässige Handbewegung, und da sah Victoria ihn. »Komm her, mein Schätzchen.«
Er war von der stehenden Lilith verdeckt worden, und jetzt konnte Victoria sehen, dass er in der Ecke einer kleinen Polsterbank saß. Auf Geheiß der Vampirkönigin rückte er jetzt nach vorn. Genau wie Max, als sie ihn damals in London gerettet hatte, trug auch er nur eine Hose. Bisswunden verunzierten die glatte, goldbraune Haut seines Halses und der Schultern. Die vis bulla glitzerte stolz in seinem Bauchnabel.
»Victoria«, sagte er, »was machst du hier?«
Sie musterte ihn und stellte erleichtert fest, dass er bis auf die Bisswunden unversehrt schien. »Ich bin wegen Lilith hergekommen.«
Die Königin lachte. »Aha. Wo wollen Sie mich denn hinbringen? Und wo ist mein lieber Maximilian?«
»Ich würde das anders formulieren. Die Frage ist nicht, wohin ich Sie bringen
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