Das Buch der Vampire 05 - Sanfte Finsternis
unter, als es davon-sprang.
Max drehte sich nicht noch einmal um.
Victoria sah ihm hinterher und widerstand dem Impuls, ihr eigenes Pferd anzutreiben und ihm hinterherzugaloppieren. Sie würde Max in drei Tagen wiedersehen, und bis dahin mussten sie und Sebastian den Vampir Katerina finden. Sie konnte es sich nicht leisten, sich von irgendwelchen Sorgen ablenken zu lassen. Dafür war später auch noch Zeit, sagte sie sich. Trotzdem sah sie ihm hinterher, während er immer kleiner wurde und sie dabei von einem schmerzlichen Gefühl des Verlustes erfüllt wurde.
Sie und Sebastian ritten eine Weile schweigend die Straße entlang, und die Stadt war immer deutlicher zu erkennen, obwohl die untergehende Sonne immer länger werdende Schatten warf. Zwischen den Bäumen hindurch erhaschte sie hin und wieder einen Blick auf die einzige Brücke, die die Moldau überspannte, und Victoria hielt nach Max Ausschau. Aber es wurde immer dunkler, und alle Reiter sahen gleich aus.
Victoria gab sich innerlich einen Ruck, und ihre Entschlossenheit kehrte zurück. Es gab wichtigere Dinge, um die sie sich jetzt zu kümmern hatte, Dinge, die weit reichende Folgen haben konnten, wenn sie sie nicht erfolgreich erledigte. Sie schaute Sebastian an und fragte: »Du bist dir ganz sicher, dass diese Katerina den Ring von Jubai hat?«
Er sah sie an, wobei ein Grinsen seine Mundwinkel nach oben zog. »Es wäre doch wohl Zeitverschwendung, hierherzukommen, wenn ich mir nicht sicher wäre, oder?« Er zuckte die Achseln. »Mein Großvater erzählte mir, dass Katerina den Ring, nachdem sie ihn von Germintrude erhalten hatte, nie wieder ablegte. Das war wohl ihre Art, Lilith ihre Verachtung zu zeigen, nehme ich an.«
Er zeigte auf den Fluss und die einzige Brücke, die ihn überspannte. »Die Steinbrücke«, sagte er. »Katerina wurde wegen dieser Brücke umgewandelt.«
»Du hattest gesagt, du würdest die Geschichte kennen«, erwiderte Victoria, die froh war, sich mit einer Unterhaltung von Max ablenken zu können. Warum hatte er vorausreiten müssen? Sie hatten doch noch immer denselben Weg.
»Ich kenne die Geschichte wahrscheinlich besser als jeder andere Sterbliche«, meinte er. »Wenn ich sie dir erzähle, lenkt dich das vielleicht ein bisschen ab... hmm, Victoria?«
Der Seitenblick, den er ihr zuwarf, zog ihr das Herz kurz zusammen, denn es gelang ihm nicht ganz, seinen eigenen Schmerz zu verbergen.
»Es ist eine wunderschöne Brücke, nicht wahr?«, fragte er, während er mit der Hand darauf deutete. »Wenn die Sonne aufgeht, schimmert sie golden.«
Sie sah Menschen und Kutschen die Brücke überqueren, die mit sechzehn Bögen den Fluss überspannte und an einen anmutigen Tausendfüßler erinnerte. Beiderseits aufgereiht standen Statuen über den Pfeilern der Brücke. Sonstige Mauern oder Verzierungen gab es nicht; es war ein schlichtes, aber elegantes Bauwerk.
Sie ritten weiter, und Victoria schaute zu dem einzelnen verzierten Turm auf, der sich über ihnen auf einem Berg erhob.
»Das ist die Prager Burg«, erklärte Sebastian ihr. »Und das da ist der Veitsdom, an dem seit dem dreizehnten Jahrhundert gebaut wird. Er ist immer noch nicht fertig.«
»Und was ist nun mit Katerina?«
»Du interessierst dich nicht für die Geschichte von Praha, wie die Stadt von den Einheimischen genannt wird?«, fragte Sebastian. »Ich versuche nur, dich von deinen Sorgen abzulenken und ein bisschen auf andere Gedanken zu bringen.«
»Ich mache mir keine Sorgen. Im Moment nicht.«
Sebastian schaute sie an. Sie merkte, wie dunkel es mittlerweile geworden war, weil sie weder sein Gesicht noch das Schimmern in seinen Augen erkennen konnte. »Vielleicht solltest du das aber, Victoria.«
»Was meinst du damit?« Furcht erfasste sie. Was wusste er? Irgendetwas über Max, der jetzt allein unterwegs war?
Dann rief sie sich zur Raison. Dabei hätte sie beinahe ihr Pferd mitten auf der Straße zum Stehen gebracht. Was für ein Dummkopf sie war. Was für ein Dummkopf!
Sie tat genau das, wovor Max sie gewarnt hatte, wovor er Angst gehabt hatte. Sie ließ zu, dass ihre Angst um ihn sie völlig vereinnahmte.
Aber es gab Wichtigeres. Dämonen, die bekämpft werden mussten. Etwas schreckliches, unbekanntes Böses, das sie nie zuvor gesehen hatte und das es gewagt hatte, Wayren zu entführen.
Und Max... Max war mehr denn je in der Lage, selbst auf sich aufzupassen. Sie schüttelte den Kopf und merkte, wie sich ihr Haar aus dem Lederband löste. Eine kinnlange
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