Das Buch der Vampire 05 - Sanfte Finsternis
ein bisschen schwierig zu erklären sein, wieso ein Mann plötzlich aus dem Sattel verschwand und sich in eine staubige Aschewolke verwandelte. Es waren einfach zu viele Leute unterwegs.
Aber wenn sie erst den dunklen Winkel erreicht hätten — und komischerweise würden beide ganz erpicht darauf sein, schnell einen zu finden —, würde Victorias Pflock sein Ziel treffen, wenn er ihr nicht sagen konnte, wo Katerina war. Und natürlich auch, wenn er es konnte.
»Sie haben sich verirrt, sagen Sie? Wo wollen Sie denn hin?«, fragte er, während er neben ihr herritt und sie dabei von den anderen Leuten, die unterwegs waren, abschirmte.
Victoria wandte scheu den Blick ab. »Heute Abend möchte ich nur einen Platz zum Schlafen finden. Morgen... nun, morgen werde ich mich mit meinem Freund treffen.« Keine ihrer besten Lügen, aber der Vampir war offenkundig nur daran interessiert, sie in einen dunklen Winkel zu führen.
Tatsächlich zuckte er noch nicht einmal mit der Wimper bei ihrer dünnen, ziemlich albernen Geschichte. Dieser Untote war eindeutig einer der unfähigsten Vampire, die ihr je begegnet waren. Es war genauso, wie Tante Eustacia immer gesagt hatte. Es gab schlaue Vampire und dumme, verblödete und furchteinflößende; aber egal, über welche geistigen Fähigkeiten sie verfügten - jeder Einzelne von ihnen war böse und nur auf eines aus: menschliches Blut zu trinken.
Mittlerweile hatten sie die Brücke überquert und ritten durch das Brückentor auf die Altstadt zu.
Victoria kam das Stadtgebiet am östlichen Ufer der Moldau viel enger und dunkler vor als auf der westlichen Seite, von der sie und Sebastian gekommen waren. Die weißen Fassaden der Gebäude mit den vertrauten orangefarbenen Dächern standen dicht an dicht in engen, gewundenen Straßen mit Kopfsteinpflaster. Zehn bis zwölf Häuser von unterschiedlicher Höhe und Breite standen nebeneinander. In vielen Fenstern brannte Licht, doch Vorhänge oder Fensterläden verhinderten, dass man hineinschauen konnte, und die Beleuchtung reichte nicht, um die Schatten auf den Straßen zu vertreiben.
Als Victoria und der Untote weit genug von der Brücke entfernt waren, lenkte sie ihr Pferd in eine besonders dunkle Ecke und blieb stehen. »Ach ja«, sagte sie und tat so, als würde sie in einer Tasche kramen, die hinter ihren Sattel geschnallt war. Der Vampir kam dichter heran, und als sie aufsah, blickte sie direkt neben sich in rote Augen.
»Ich glaube, heute Nacht brauchen Sie keinen Platz zum Schlafen«, meinte er und griff nach ihrem Arm. »Aber wenn Sie darauf bestehen, kann ich bestimmt eine Unterkunft besorgen.«
»Ich halte das für keine gute Idee«, erwiderte Victoria gelassen. »Ich suche nach Katerina. Wo ist sie?«
»Wer sind Sie?«, fragte er, ohne jedoch vor ihr zurückzuweichen.
»Ich suche nach dem Ring von Jubai. Hat sie ihn?«
»Wer sind Sie?« Jetzt zog er sich von ihr zurück, wobei seine Augen vor Überraschung etwas blasser wurden.
Ungeduldig, weil er sich wiederholte, packte sie ihn vorn an seinem Gehrock. Und dann tauchte Sebastian direkt hinter dem Vampir auf, sodass ihm jetzt zwei Pferde den Weg versperrten und er nicht mehr aus dem dunklen Winkel herauskonnte.
Der Vampir, der letztendlich sogar zu dumm war, um mehr als nur ein bisschen besorgt auszusehen - aber nicht wirklich verängstigt -, drehte sich zu dem neu Dazugekommenen um.
»Ah, ich hatte mir schon gedacht, dass du das bist, Antonin«, sagte Sebastian mit seiner samtweichen Stimme. »Ich schlage vor, du nimmst deine Hände von ihr, wenn du den nächsten Sonnenaufgang — Verzeihung, ich meinte natürlich Sonnenuntergang - erleben möchtest.«
Antonin ließ Victoria los, wobei seine Augen eindeutig nicht mehr rosa waren. »Vioget?«
»Oh je, du scheinst dich überhaupt nicht darüber zu freuen, mich zu sehen.«
»Nein, das kann ich nicht behaupten. Und Katerina wird wahrscheinlich auch nicht erfreut sein, wenn man bedenkt, was beim letzten Mal vorgefallen ist.« Dann drehte er sich wieder zu Victoria um, und sie konnte sehen, dass sich ein berechnender Ausdruck auf sein Gesicht legte. »Und wer ist das hier, dass Sie sie so vehement beschützen?«
»Dies ist Illa Gardella. Ich glaube nicht, dass sie meinen Schutz braucht, Antonin.« In Sebastians Stimme schwang leichte Erheiterung mit.
»Illa Gardella. Der weibliche Venator.« Er rückte sich im Sattel zurecht. »Aber ich dachte, sie wäre tot. Dass man sie letztes Jahr in Rom getötet hätte.«
»Ihre
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