Das Buch der Verdammnis (German Edition)
Computer. Ich hatte beschlossen, ein Konzept für eine neue Heft-Reihe zu entwerfen. Ich wollte, dass es weiterging, wenn nicht mit Hank Lester, dann mit einem neuen Helden. Es war wie eine Flucht aus der Realität, auch hier halfen die Pillen, die Dinge erschienen mir in einer trügerischen Klarheit.
Hank lebte weiterhin in unserer Wohnung, doch ich sah ihn nur selten. Morgens nach dem Frühstück ging er aus der Wohnung und oft kam er erst weit nach Mitternacht nach Hause.
Bei den wenigen Begegnungen, die wir hatten, sah er mich meist ernst an. Dann legte er eine Hand auf meine Schulter, drückte sie und sagte Sachen wie: „Diese Brut ist ausgekochter als ich gedacht hatte.“ Oder: „Diesmal ist es ernst. Wenn wir die Biester nicht bald vernichten, sind wir verloren.“
Er schien nicht zu erwarten, dass ich etwas zu seinen Worten sagte, er ging an mir vorbei in sein Zimmer oder aus dem Haus. Ein längeres Gespräch führte ich nie mit ihm. Einmal, als ich in der Nacht aufgewacht und in die Küche gegangen war, um mir etwas zu trinken zu holen, stand er plötzlich am Kücheneingang und sah mich stumm an.
Seine Kleidung war zerrissen, seine Jacke war mit Blutflecken übersät und er hatte kleine Wunden im Gesicht. Ich war so erschrocken, dass ich in der Bewegung erstarrt stehen blieb. Einen Moment sagte niemand etwas, dann drehte er sich um und ging in sein Zimmer.
Ich fragte Hank nie, wo er sich in den Nächten und Tagen herumtrieb und was seine rätselhaften Sätze zu bedeuten hatten.
Dann las ich eines Morgens in der Zeitung von geheimnisvollen Morden im Dianapark. Ein Killer sollte dort sein Unwesen treiben, der schon drei Tote auf dem Gewissen hatte.
Doch die Polizei schwieg zu den Vorgängen, nannte sie Gerüchte, was den Schreiber der Zeilen nur auf die Idee brachte, die Polizei wolle den Killer in Sicherheit wiegen.
Ich überflog die Zeilen, aber ich wehrte mich dagegen, diesen Artikel in Zusammenhang mit Lester und seinen nächtlichen Ausflügen zu bringen.
Das Gefühl, das mich zu dieser Zeit beherrschte, war Angst. Ich hatte Angst, verrückt zu werden und jeden Tag Erscheinungen zu haben, Monstern im Park zu begegnen oder das verzerrte Gesicht von Baretta im Spiegel zu sehen. Ich hatte Angst, dass Hank ein völlig durchgedrehter Killer war, der sich in meiner Wohnung aufhielt und glaubte, ein Dämonenjäger zu sein. Ich hatte Angst vor dem, was ich herausfinden würde, wenn ich anfangen würde, mit Hank zu reden und ihm Fragen nach seinen nächtlichen Ausflügen zu stellen.
Das Einzige, was gegen die Angst half, waren die blauen Pillen.
Ich wurde süchtig nach dem wohligen Gefühl und dem Schleier, der über allem lag, sobald ich sie genommen hatte.
Ich fragte nicht mehr, wer Hank Lester wirklich war und was in der Nacht der Verlagsparty tatsächlich geschehen war.
Wenn ich abends mit Gonzo eine Pathologen-Folge der Reihe ‚Mary Dunkham, Pathologie und Passion’ sah, kam mir die ganze Situation völlig irreal vor. Manchmal glaubte ich, ja ich hoffte, dass sie gleich aus ihren Ecken herausspringen würden. Pappnasen einer Fernsehcrew, die mich und Gonzo mit einer versteckten Kamera hereingelegt hatten. Ein grinsender Showman würde mich interviewen und mir sagen, dass alles nur ein Spaß war und Hank Lester würde zur Tür hereinkommen und seine Maske abnehmen und wäre nichts als ein arbeitsloser Schauspieler, für den diese Rolle eine besondere Herausforderung dargestellt hatte. Und ich würde erfahren, dass da draußen vor den Fernsehern in irgendeinem neuen Kanal, den kein Schwein kannte, die Zuschauer feixten über mich und über Gonzo und sich auf die Schenkel klopften, weil wir es wirklich für möglich gehalten hatten, dass ein Held aus einem Heftroman zum Leben erwacht war, um auf Geisterjagd zu gehen.
Aber es gab keine versteckte Kamera und keine Fernsehcrew, ich wartete vergeblich auf die Entwarnung, dass alles nur ein harmloser Spaß war, und wir schauten weiter Fernsehen und sahen Mary zu, wie sie mit seltsam abwesendem Blick Leichenteile sortierte.
Wenn ich nachts nicht schlafen konnte, warf ich noch ein paar Pillen ein und dann erschien mir alles, was ich erlebt hatte, nur noch wie ein böser Traum. Die Bilder waren unscharf wie auf einer verblassten Fotografie aus längst vergangener Zeit.
Es gab nur ein Bild, das nicht blasser wurde. Das Bild von Helen.
Wildschweine im Dianapark
In der Nacht zum Sonntag berichteten mehrere Passanten von seltsamen Begegnungen mit
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