Das Buch der Verdammnis (German Edition)
nächsten Tag setzte ich mich schon um acht Uhr früh an den Computer. Gonzo schlief noch und Hank war die ganze Nacht nicht aufgetaucht. Ich vermutete, dass er bei Eva geschlafen hatte.
Ich surfte auf die Webseite der örtlichen Lokalzeitung, um nach auffälligen Meldungen zu suchen. Ich wusste nicht genau, was ich zu finden hoffte. Vielleicht eine Notiz, dass es in der letzten Zeit im Dianapark zu Begegnungen mit seltsamen, völlig fremdartigen Tieren gekommen war.
Doch ich fand nur die immer gleichen Meldungen von kleinen Schlägereien und Streitereien in Wohnsiedlungen.
Dann rief ich die Webseite des Kostar-Verlags auf. Dort hatte man Fotos des Festes eingestellt. Ich sah mir jedes Bild genau an, ob nicht vielleicht irgendwo Helen zu erkennen war. Ich fand ein Foto von Gonzo, der tatsächlich mit zwei brasilianisch aussehenden Frauen an der Bar stand. Ich entdeckte Hank, vertieft in ein Gespräch mit Eva. Schnell klickte ich weiter und fand ein Bild, wie ich mit Bommer an der Bar saß. Der Fotograf hatte mich von rechts aufgenommen, was sehr ärgerlich war, von rechts sah mein Gesicht aus wie ein aufgegangener Hefeteig. Doch am meisten ärgerte mich die Unterzeile. Der berühmte Autor Rolf Bommer, der kürzlich einen Preis für ökologisches Schreiben erhielt, mit einem unbekannten Verehrer.
Dieser Idiot von Fotograf. Ein unbekannter Verehrer? Was sollte das? Soweit war es schon gekommen, dass ich für den Verlag nur ein unbekannter Verehrer war.
Hunderte von Fotos gab es von der Party. Der Fotograf hatte mit seinem Apparat vor allem Frauen nachgestellt. Bei den Bildunterschriften hatte er dann seine ganze Fantasie spielen lassen und aus der Jubiläumsparty eines billigen Heftromanverlags eine Riesenparty für V.I.Ps gemacht.
Immer schneller klickte ich durch die Bilderreihen. Nach zwei Stunden war ich mir sicher, dass keines der Bilder Helen zeigte. Vielleicht war sie ja dem Fotografen entgangen. Doch das war sehr unwahrscheinlich.
Ich lehnte mich zurück, blickte immer noch auf die Bilder auf meinem Computerdesktop. Auf einem der Fotos fiel mir etwas auf.
Ich machte das Bild größer. Es zeigte eine Szene an der Bar. Leute, die ich nur vom Sehen kannte. Doch im Hintergrund war das Gesicht eines Mannes zu sehen, der geradewegs in die Kamera blickte. Ich kannte den Mann. Berthold November, der vor einer Woche in meinem Kreativschreibkurs aufgetaucht war. Was hatte er auf dem Fest des Verlags zu suchen?
Doch was mich an dem Bild erschreckte, war etwas anderes. Ich weiß nicht, ob es das Licht an der Bar gewesen war oder die Tatsache, dass ich jetzt sein Gesicht so genau studierte, aber mir war, als würde unter den Zügen ein anderes Gesicht Formen annehmen. Ein Gesicht, das ich kannte.
Das Gesicht von Baretta.
Ich starrte regungslos auf den Bildschirm. Daher war er mir sofort bekannt vorgekommen. November hatte mich von Anfang an Baretta erinnert. Ich musste an das denken, was Bommer gesagt hatte, dass Baretta wieder da war, dass er mit ihm gesprochen hatte. Sollte Bommer die Wahrheit gesagt haben? Waren November und Baretta ein und dieselbe Person? Aber das konnte nicht sein. Baretta war tot. Das Ganze war zu verrückt. Ich fing schon selbst an, Gesichter und Gespenster zu sehen. Ich klickte das Bild weg und lehnte mich wieder zurück.
Die Fotos von dem Fest brachten mich nicht weiter. Von Helen gab es nicht die geringste Spur. Hatte ich mir alles nur eingebildet, die Begegnung mit ihr und alles, was danach im Park geschehen war?
Es war alles so real gewesen. Wenn ich die Augen schloss, glaubte ich Helens Gesicht vor mir zu sehen, ich hörte ihre Stimme und ich roch den infernalischen Gestank, als das Monstertier mir mit seiner riesigen Zunge über das Gesicht gefahren war.
Aber wenn die Ursache dieses Horrortrips der Wundertrank von Hank war, warum hatte Gonzo ganz andere Dinge erlebt?
Ich schaute auf die Uhr. Es war schon fast zehn. Um diese Zeit musste die Cafébar Fanal schon offen haben.
Dort in der Nähe hatte ich Helen das letzte Mal gesehen. Dort hatte ich die lauten Schritte gehört, die mich in die Flucht getrieben hatte. Von dort hatte alles seinen Ausgang genommen.
Ich beschloss, dem Lokal einen Besuch abzustatten.
Ich fuhr mit dem Fahrrad in den Dianapark. In der Nähe des Verlagsgebäudes blieb ich stehen und stieg ab.
Im Park waren nur wenige Spaziergänger. Zwei Jogger liefen an mir vorüber, auf der Wiese spielten ein paar Jugendliche Fußball. Das Wetter hatte
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