Das Buch der Verdammnis (German Edition)
glänzenden Blick, aber auch Eva und die anderen wirkten beeindruckt von meinem Vortrag.
"Bud ist kein Superman“, fuhr ich fort. „Er ist nur ein Mann, wie ihn jeder von uns gern als Freund hätte. Loyal, ehrlich, mit festen Wertvorstellungen. Er trinkt am liebsten Bier, daher auch sein kleiner Bauch, er ist bekennender Fan von Borussia Dortmund, er ist tolerant, weltoffen, kein Typ, der auf Rotwein aus der Tos kana und auf dieses ganze Italienische steht. Nein, sein Lieblingsessen ist Leberkäse mit Ei. Er ist stolz auf seine Briefmarkensammlung. Er redet nicht so übertrieben artifiziell wie Hank Lester, er spricht die Sprache des Volkes. Er ist kein Hank Lester. Er ist Bud Morgan, der Jäger der Dämonen."
Ich ließ meine Worte wirken, einen Moment war es ganz still. Dann stand Paul Winter auf und fing an, langsam in seine Hände zu klatschen. Eva und Marla folgten ihm und am Schluss standen alle da und spendeten mir Beifall.
An die folgende kleine improvisierte Feier erinnere ich mich kaum. Wir tranken Sekt, ich war wie auf einem Ecstasy-Trip. Winter konnte sich kaum beruhigen, so sehr hatte ihm mein Konzept gefallen. Immer wieder schenkte er mir nach und ich trank und trank, und der Alkohol verwandelte meine Umgebung in eine Bonbonwelt voller Clowns und quietschbunter Spielzeuge. Alles um mich her erreichte mich nicht wirklich, alles verschwand hinter grellen Farben, nur ich existierte in meiner Welt, und es gab nur den Erfolg, die neue Geschichte, die alles überstrahlen sollte. „Hank Lester ist tot, es lebe Bud Morgan“, sagte ich und stieß noch einmal mit Winter an.
Als ich den Raum verließ, in dem die kleine improvisierte Feier stattgefunden hatte und auf dem Flur zur Treppe nach unten in den Vorsaal ging, spürte ich auf einmal einen kalten Hauch.
Es war, als hätte ich die Grenze zweier Zonen überschritten, ich konnte nicht sagen, wie diese Grenze beschaffen war, und was mich in der neuen Zone erwarten würde, aber mich fröstelte und es war da dieses Wissen, dass etwas passieren würde. Etwas, das ich nicht vergessen würde.
Es war menschenleer hier, kein Verlagsangestellter war zu sehen, hinter den weißen Türen auf dem Gang war es still.
Ich war langsamer geworden, sah mich vorsichtig um. Mit einem Schlag war ich nüchtern, der Alkohol, den ich während der Feier getrunken hatte, hatte seine Wirkung verloren.
Ich ging die Treppe nach unten, ich glaubte, das Geräusch meiner Schritte auf dem Marmor überdeutlich wahrzunehmen, so still war es.
Im ersten Stock blieb ich stehen. Wieder bemerkte ich, dass die Gänge leer waren und dass es außergewöhnlich still war, als wäre ich der einzige Mensch in diesem Gebäude.
Dann sah ich die offene Tür. Sie schwang mit einer kaum wahrnehmbaren Bewegung auf und zu, so langsam, dass man genau hinsehen musste, um ihre Bewegung wahrzunehmen.
Sie schwang langsam wieder auf. Eine Bewegung wie eine Einladung, als würde mir jemand mit der Hand winken.
Es war keine Entscheidung oder Eingebung, es war ein Zwang, der mich dazu brachte, nicht weiter die Treppe nach unten zu gehen, sondern auf die Tür zuzugehen.
Davor blieb ich stehen. Die Tür war jetzt halb offen, ich ergriff den Türknauf, öffnete sie ganz und trat ein.
Ich stand in einem einfachen Bürozimmer. Links stand ein großer Schrank, die Mitte des Raums beherrschte ein großer Schreibtisch mit einem riesigen Monitor und dahinter saß Bommer.
Bommer, den ich vor drei Wochen mit einem herausgerissenen Herz in dem verfallenen Haus gesehen hatte.
Während ich langsam näher kam, schien Bommer mich nicht zu bemerken, er war ganz vertieft in seiner Arbeit. Er schrieb etwas.
Vor dem Tisch blieb ich stehen und sah in sein fahles Gesicht. Es hatte sich verändert, ich konnte nicht genau sagen, was es war, aber es wirkte, als wäre jedes Leben darin verschwunden.
Die Augen waren tot. Das war mein erster Gedanke, als er aufblickte und mich ansah. Einen ewig dauernden Moment blickte er mich stumm an, mit diesen toten Fischaugen, als müsste er sich erinnern, wer ich war.
„Ach, du bist es“, sagte er dann. „Schön, dass du mich mal besuchst.“
Sein Gesicht verzog sich, als wollte er lächeln, aber es wirkte, als würde eine frisch angebrachte Haut über dem Knochengerüst sitzen, die bei jeder Bewegung zu reißen drohte. Sein verzerrtes Gesicht ließ mir den Atem stocken.
„Ja“, sagte er dann. „Du weißt es ja schon.“
Seine Stimme klang warm und menschlich. Sie passte
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