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Das Buch der verlorenen Dinge

Das Buch der verlorenen Dinge

Titel: Das Buch der verlorenen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
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winkt. Solange wir uns schön bedeckt halten und nicht haufenweise schicke Kleider oder Goldketten kaufen – «
    »Oder Betten«, warf Bruder Nummer Acht ein.
    »Oder Betten«, fuhr Bruder Nummer Eins fort, »wird niemandem etwas auffallen. Das Dumme ist nur, wir werden alle nicht jünger, und es wäre schön, wenn wir das Ganze jetzt mal ein wenig ruhiger angehen lassen und uns vielleicht den einen oder anderen Luxus leisten könnten.«
    Die Zwerge sahen zu Schneewittchen, die schnarchend in ihrem Sessel lag, und alle seufzten im Chor.
    »Um ehrlich zu sein, wir hoffen, dass wir jemanden bestechen können, damit er sie uns abnimmt«, gestand Bruder Nummer Eins schließlich.
    »Du meinst, jemanden dafür bezahlen, dass er sie heiratet?«, fragte David.
    »Derjenige müsste natürlich schon ziemlich verzweifelt sein, aber es würde sich für ihn durchaus lohnen«, sagte Bruder Nummer Eins. »Nun ja, ich weiß nicht, ob es im ganzen Land genug Diamanten gibt, um jemanden für das Dasein mit ihr zu entschädigen, aber wir würden ihm schon ein hübsches Sümmchen geben, um ihm die Qual zu erleichtern. Er könnte sich richtig gute Ohrstöpsel kaufen, und ein riesengroßes Bett.«
    Allmählich dösten die ersten Zwerge ein. Bruder Nummer Eins griff nach einem langen Stock und ging nervös auf Schneewittchen zu.
    »Sie kann es nicht leiden, geweckt zu werden«, erklärte er David. »Das hier erscheint uns die beste Lösung für alle Beteiligten.«
    Vorsichtig stupste er Schneewittchen mit der Stockspitze an. Nichts geschah.
    »Ich glaube, du musst es ein bisschen fester machen«, sagte David.
    Diesmal verpasste der Zwerg Schneewittchen einen kräftigen Stoß. Es schien zu funktionieren, denn sie packte sofort den Stock und zog so kräftig daran, dass Bruder Nummer Eins beinahe mitten ins Feuer geflogen wäre. Zum Glück erinnerte er sich im letzten Moment daran loszulassen und landete stattdessen im Kohlenhaufen.
    »Urg«, sagte Schneewittchen. »Arff.«
    Sie wischte sich ein wenig Sabber vom Mund, stand auf und schlurfte in ihr Schlafzimmer. »Morgen früh gebratenen Speck«, sagte sie. »Vier Eier. Und ein Würstchen. Nein, besser acht.«
    Damit knallte sie die Tür hinter sich zu, fiel auf ihr Bett und schlief sofort tief und fest.
     
     
    David saß mit angezogenen Beinen in dem Sessel am Feuer. Das ganze Haus dröhnte vom Schnarchen Schneewittchens und der Zwerge, einem vielstimmigen Chor aus Geschnorchel, Gepfeife und Gehuste. David dachte an den Förster und die Blutspur, die in den Wald führte. Er erinnerte sich an Leroi und den Blick in den Augen des Loups. Ihm war klar, dass er nicht länger als eine Nacht bei den Zwergen bleiben konnte. Er musste weiter. Er musste irgendwie zum König gelangen.
    David stand auf und trat ans Fenster. Die Dunkelheit draußen war so dicht und schwer, dass er nichts sehen konnte. Er lauschte, doch das Einzige, was er hören konnte, war der Ruf einer Eule. Er hatte nicht vergessen, was ihn an diesen Ort geführt hatte, aber er hatte die Stimme seiner Mutter nicht mehr vernommen, seit er diese neue Welt betreten hatte. Nur wenn sie nach ihm rief, hätte er eine Chance, sie zu finden.
    »Mama«, flüsterte er. »Wenn du da draußen bist, dann hilf mir. Ich kann dich nicht finden, wenn du mich nicht führst.«
    Doch es kam keine Antwort.
    David setzte sich wieder in den Sessel und schloss die Augen. Er schlief ein und träumte von seinem Zimmer zu Hause und von seinem Vater und seiner neuen Familie, aber sie waren nicht allein im Haus. In seinem Traum schlich der Krumme Mann durch den Flur zu Georgies Zimmer. Dort stand er lange und betrachtete das Kind, bevor er schließlich das Haus verließ und in seine eigene Welt zurückkehrte.

15
    Vom Rehmädchen
     
     
     
    Schneewittchen lag noch schnarchend im Bett, als David und die Zwerge am nächsten Morgen aufbrachen. Die Stimmung der kleinen Männer hob sich zusehends. Je weiter sie sich von ihr entfernten. Sie begleiteten David bis zur weißen Straße, dann standen sie alle ein wenig verlegen herum, weil sie nicht wussten, wie sie sich verabschieden sollten.
    »Leider können wir dir nicht verraten, wo die Mine ist«, sagte Bruder Nummer Eins.
    »Nein«, erwiderte David. »Das verstehe ich.«
    »Ist ja ein Geheimnis, sozusagen.«
    »Ja, natürlich.«
    »Wir wollen schließlich nicht, dass jeder Hinz und Kunz da herumschnüffelt.«
    »Sehr vernünftig.«
    Nachdenklich zupfte Bruder Nummer Eins an seinem Ohrläppchen.
    »Sie ist gleich

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