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Das Buch der verlorenen Dinge

Das Buch der verlorenen Dinge

Titel: Das Buch der verlorenen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
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Morgens über den Himmel huschte.
    Doch ihr Aufbruch blieb nicht unbemerkt. In einem Dornengestrüpp hinter der Ruine lauerte ein Paar dunkler Augen, das sie beobachtete. Das Fell des Wolfs war fast schwarz, und sein Gesicht hatte mehr von einem Menschen als von einem Wolf. Er war die Frucht der Verbindung zwischen einem Loup und einer Wölfin, aber im Körperbau und in den Instinkten schlug er mehr nach seiner Mutter. Er war auch der stärkste und wildeste seiner Art, groß wie ein Pony und mit einem Fang, der die Brust eines erwachsenen Mannes umschließen konnte. Der Kundschafter war vom Rudel vorgeschickt worden, um nach Spuren von dem Jungen zu suchen. Er hatte seine Witterung auf der Straße aufgenommen und war ihr bis zu einem kleinen Haus tief im Wald gefolgt. Dort hätte er beinahe sein Ende gefunden, denn die Zwerge hatten rund um ihr Haus Fallen aufgestellt, tiefe Gruben mit spitzen Pfählen am Boden, geschickt verdeckt von Zweigen und Grassoden. Nur seine Reflexe hatten den Wolf davor bewahrt, in den sicheren Tod zu stürzen, und von da an war er vorsichtiger geworden. Er hatte die Witterung des Jungen wieder aufgenommen, diesmal vermischt mit der der Zwerge, und war ihr bis zur Straße zurückgefolgt. Dort hatte er sie zunächst verloren, bis er zu einem Bach kam, wo die Fährte des Jungen von dem starken Geruch eines Pferdes abgelöst wurde. Das verriet dem Wolf, dass der Junge nicht mehr zu Fuß unterwegs war und wahrscheinlich auch nicht mehr allein. Er markierte die Stelle mit seinem Urin, wie er es an jedem Abschnitt seiner Suche getan hatte, damit das Rudel ihm leichter folgen konnte.
    Der Kundschafter wusste, was Roland und David nicht wissen konnten: Das Rudel hatte kurz hinter der Schlucht zunächst ein Sammellager aufgeschlagen, da immer mehr Wölfe hinzukamen, um sich dem Marsch auf die Burg des Königs anzuschließen. Leroi hatte den Kundschafter beauftragt, den Jungen ausfindig zu machen. Wenn möglich, sollte er ihn zum Rudel zurückbringen, damit Leroi ihn sich höchstpersönlich vorknöpfen konnte. Falls das nicht ging, sollte er ihn töten und nur ein Pfand mitbringen – den Kopf des Jungen –, zum Beweis, dass er seinen Auftrag erfüllt hatte. Der Kundschafter hatte bereits beschlossen, dass der Kopf ausreichen würde. Den Rest des Jungen würde er sich einverleiben, denn es war schon sehr lange her, dass er frisches Menschenfleisch gegessen hatte.
    Bei dem Schlachtfeld hatte der Wolf-Loup erneut die Witterung des Jungen gefunden, vermischt mit einem unbekannten, stechenden Geruch, der seine empfindliche Nase zwickte und ihm die Tränen in die Augen trieb. Der ausgehungerte Kundschafter hatte sich über die Knochen eines der Soldaten hergemacht und das Mark herausgesogen, und jetzt war sein Bauch voller, als er es seit Monaten gewesen war. Mit frischer Energie war er erneut der Witterung des Pferdes gefolgt und gerade im rechten Augenblick bei der Ruine angekommen, um den Jungen und seinen Begleiter aufbrechen zu sehen.
    Dank seiner kraftvollen Hinterläufe war der Kundschafter in der Lage, sehr hoch und weit zu springen, und mit seiner Körpermasse hatte er schon so manchen Reiter aus dem Sattel geworfen und seinem Opfer anschließend mit seinen langen, spitzen Zähnen die Kehle herausgerissen. Sich den Jungen zu schnappen wäre ein Kinderspiel. Wenn er seinen Sprung gut plante, konnte er den Jungen vom Pferd und in Fetzen gerissen haben, bevor der Reiter überhaupt wusste, wie ihm geschah. Dann würde der Kundschafter fliehen, und wenn der Reiter ihm unbedingt folgen wollte, nun, dann würde er ihn direkt in die Fänge des wartenden Rudels locken.
    Der Reiter führte sein Pferd langsam und vorsichtig zwischen niedrigen Ästen und dichtem Dornengestrüpp hindurch. Der Wolf folgte ihnen unauffällig und wartete auf den rechten Augenblick. Vor dem Reiter lag ein umgestürzter Baum, und der Wolf nahm an, dass das Pferd dort einen Moment innehalten würde, um sich den besten Weg über das Hindernis zu suchen. Er würde sich den Jungen holen, wenn das Pferd stehen blieb. Lautlos schlich er sich an dem Grüppchen vorbei, damit er Zeit hatte, sich den besten Absprungplatz zu suchen. Als er bei dem Baum ankam, entdeckte er in den Büschen zu seiner Rechten einen flachen, leicht erhöhten Felsen, wie geschaffen für seine Zwecke. Ihm troff der Speichel von den Lefzen, da er schon das Blut des Jungen auf seiner Zunge zu schmecken glaubte. Das Pferd kam in Sichtweite, und der Kundschafter

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