Das Buch der verlorenen Dinge
seiner Mitgift für die Prinzessin und ein Symbol für das Band zwischen den beiden Familien. Ein Diener bekam den Auftrag, den Sohn auf seiner Reise zu begleiten und gut für ihn zu sorgen, und so machten sich die beiden Männer auf den Weg zum Land der Prinzessin.
Nachdem sie viele Tage gereist waren, stahl der Diener, der von Neid erfüllt war, eines Nachts den goldenen Becher des Prinzen und schlüpfte in dessen beste Kleider. Als der Prinz erwachte, zwang der Diener ihn, bei seinem Leben und dem aller, die ihm teuer waren, zu schwören, dass er niemandem verraten würde, was geschehen war, und befahl dem Prinzen, ihm von nun an zu dienen. So wurde der Prinz zum Diener und der Diener zum Prinz, und bald kamen sie zum Schloss der Prinzessin.
Bei ihrer Ankunft wurde der falsche Prinz mit großen Feierlichkeiten begrüßt, während der echte Prinz zu den Schweinen geschickt wurde, denn der falsche Prinz sagte der Prinzessin, er sei ein schlechter und ungehorsamer Diener, dem man nicht vertrauen könne. So befahl ihr Vater dem echten Prinzen, die Schweine zu hüten und im schmutzigen Stroh zu schlafen, während der Betrüger die köstlichsten Leckereien aß und sein Haupt auf feinsten Daunen bettete.
Doch der König, der ein weiser alter Mann war, hörte, dass andere gut von dem Schweinehirten sprachen. Es hieß, er sei liebenswürdig und wohlerzogen, stets freundlich zu den Tieren, die er hütete, und zu den anderen Bediensteten, denen er begegnete, und so ging der König eines Tages zu ihm und bat ihn, von sich zu erzählen. Doch der echte Prinz, der an seinen Schwur gebunden war, sagte dem König, dass er dieser Bitte nicht nachkommen könne. Der König wurde zornig, denn er war es nicht gewohnt, dass man sich ihm widersetzte, doch der echte Prinz fiel vor ihm auf die Knie und sagte: »Ich habe bei meinem Leben und dem aller, die mir teuer sind, geschworen, dass ich niemandem die Wahrheit über mich erzähle. Ich bitte Euch, mir zu vergeben, wenn ich Euer Majestät den Gehorsam verweigere, aber ein Mann ist an sein Wort gebunden, und wenn er es bricht, ist er nicht besser als ein Tier.«
Der König dachte eine Weile nach, dann sagte er zu dem echten Prinzen: »Ich sehe, dass das Geheimnis, das du in dir trägst, auf deiner Seele lastet, und vielleicht wärest du froher, wenn du es einmal laut aussprichst. Warum erzählst du es nicht dem unbenutzten Herd im Dienstbotentrakt, dann wird dir sicher leichter ums Herz.«
Der echte Prinz folgte dem Vorschlag des Königs, doch der König versteckte sich in der Dunkelheit hinter dem Herd, und so hörte er die Geschichte des echten Prinzen. An dem Abend fand ein großes Festbankett statt, denn am nächsten Tag sollte die Prinzessin den Betrüger heiraten. Der König forderte den echten Prinzen auf, als maskierter Gast zur einen Seite seines Throns Platz zu nehmen, und zur anderen Seite setzte er den falschen Prinzen. Und er sprach zu dem falschen Prinzen: »Ich will deine Weisheit einer Prüfung unterziehen, wenn du bereit dazu bist.« Der falsche Prinz willigte sofort ein, und der König erzählte ihm die Geschichte eines Betrügers, der die Identität eines anderen Mannes annahm und daraufhin alle Reichtümer und Privilegien einforderte, die eigentlich dem anderen zustanden. Doch der falsche Prinz war so überheblich und so überzeugt vom Erfolg seiner List, dass er gar nicht merkte, dass es seine eigene Geschichte war.
»Was würdest du mit so einem Mann tun?«, fragte der König.
»Ich würde ihm die Kleider ausziehen und ihn in ein mit Nägeln gespicktes Fass stecken«, sagte der falsche Prinz. »Dann würde ich das Fass an vier Pferde binden und es so lange durch die Straßen ziehen, bis der Mann darin in tausend Stücke gerissen ist.«
»Dann soll dies deine Strafe sein«, sagte der König, »denn genau das hast du getan.«
So erhielt der echte Prinz seine Stellung zurück, und er heiratete die Prinzessin, und sie lebten glücklich bis an ihr Ende, während der falsche Prinz in einem mit Nägeln gespickten Fass in tausend Stücke gerissen wurde, und niemand weinte um ihn, und niemand erwähnte je wieder seinen Namen, nachdem er gestorben war.
Als Roland geendet hatte, sah er David an.
»Wie findest du meine Geschichte?«, fragte er.
David runzelte nachdenklich die Stirn. »Ich glaube, ich habe mal eine ähnliche Geschichte gelesen«, sagte er. »Aber die handelte von einer Prinzessin, nicht von einem Prinzen. Das Ende war allerdings
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