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Das Buch der verlorenen Dinge

Das Buch der verlorenen Dinge

Titel: Das Buch der verlorenen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
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sich gleich viel wohler, und er ging mit Roland in Fletchers Haus, wo der Tisch gedeckt war und Fletcher und seine Familie auf die beiden warteten. Fletchers Sohn sah seinem Vater sehr ähnlich, denn er hatte ebenfalls langes, rotes Haar, nur war sein Bart noch nicht so dicht und von Grau durchzogen wie der seines Vaters. Seine Frau war zierlich und dunkel und sagte nicht viel, da sie ihre ganze Aufmerksamkeit dem Säugling in ihren Armen widmete. Fletcher hatte noch zwei weitere Kinder, beides Mädchen. Sie waren ein wenigjünger als David und warfen ihm verstohlene Blicke zu und kicherten leise.
    Als Roland und David sich gesetzt hatten, schloss Fletcher die Augen, senkte den Kopf und sprach ein Dankgebet für das Essen – ein Ritual, dem Roland sich, wie David bemerkte, nicht anschloss –, dann lud er alle am Tisch ein, sich zu bedienen.
    Die Unterhaltung kreiste zunächst um Angelegenheiten des Dorfes, die Jagd und das Verschwinden von Ethan, bis sie sich schließlich um Roland und David und den Anlass ihrer Reise drehte.
    »Ihr seid nicht die Ersten, die auf dem Weg zur Dornenfestung hier durchkommen«, sagte Fletcher, nachdem Roland ihm von seinen Plänen erzählt hatte.
    »Warum nennst du sie so?«, fragte Roland.
    »Weil sie von oben bis unten mit Dornenranken zugewuchert ist. Schon wenn man sich den Mauern nur nähert, riskiert man, durchbohrt zu werden. Du wirst mehr als deinen Brustpanzer brauchen, um dich vor ihnen zu schützen.«
    »Du hast das Schloss also gesehen?«
    »Etwa vor zwei Wochen glitt ein Schatten über das Dorf. Als wir nach oben schauten, sahen wir, wie das Schloss durch die Luft flog, einfach so. Ein paar von uns sind ihm gefolgt und haben gesehen, wo es gelandet ist, aber wir wagten nicht, näher heranzugehen. Von solchen Dingen hält man sich besser fern.«
    »Du hast gesagt, andere hätten versucht, es zu finden«, sagte Roland. »Was ist aus ihnen geworden?«
    »Sie sind nicht zurückgekommen«, erwiderte Fletcher.
    Roland griff in den Ausschnitt seines Hemdes und holte das Medaillon hervor. Er öffnete es und zeigte Fletcher das Bild des jungen Mannes. »War er einer davon?«
    Fletcher betrachtete das Bild in dem Medaillon. »Ja, ich erinnere mich an ihn«, sagte er. »Er hat hier Rast gemacht und im Gasthaus ein Bier getrunken. Vor Einbruch der Dunkelheit ist er wieder aufgebrochen, und danach haben wir ihn nicht mehr gesehen.«
    Roland klappte das Medaillon zu und ließ es wieder an sein Herz gleiten. Bis zum Ende des Mahls sagte er nichts mehr. Als der Tisch abgeräumt war, lud Fletcher Roland ein, sich mit ihm ans Feuer zu setzen, und sie rauchten gemeinsam ihre Pfeifen.
    »Vater, erzähl uns eine Geschichte«, sagte eines der Mädchen, das ihrem Vater zu Füßen saß.
    »Oh ja, bitte, Vater!«, fiel ihre Schwester ein.
    Fletcher schüttelte den Kopf. »Ich weiß keine Geschichten mehr. Ihr habt sie alle schon gehört. Aber vielleicht kennt unser Gast ja eine, die er uns erzählen mag?«
    Er sah Roland fragend an, und die Gesichter der beiden Mädchen wandten sich dem Fremden zu. Roland überlegte einen Moment, dann legte er seine Pfeife hin und begann zu sprechen.
     
     
    Rolands zweite Geschichte
     
    Es war einmal ein Ritter namens Alexander. Er besaß all die Eigenschaften, die einen Ritter auszeichnen: Er war stark und mutig, treu und verschwiegen, aber er war auch jung und bestrebt, seine Kühnheit unter Beweis zu stellen. In dem Land, in dem erlebte, herrschte seit sehr langer Zeit Frieden, und Alexander hatte wenig Gelegenheit bekommen, sich auf dem Schlachtfeld Ruhm und Ehre zu verdienen. So verkündete er eines Tages seinem Herrn und Meister, er wolle in neue und fremde Länder reisen, um sich zu prüfen und herauszufinden, ob er wirklich würdig war, sich dem Kreis der edelsten Ritter anzuschließen. Da sein Herr erkannte, dass Alexander keine Ruhe geben würde, bis er die Erlaubnis dazu bekam, gab er ihm seinen Segen, und so sattelte der Ritter sein Pferd, legte seine Waffen an und machte sich auf, sein Schicksal zu suchen, ganz allein, selbst ohne einen Knappen als Begleitung.
    In den folgenden Jahren fand Alexander die Abenteuer, von denen er so lange geträumt hatte. Erschloss sich einem Ritterheer an, das in ein Königreich fern im Osten zog, um gegen einen großen Zauberer namens Abuknezar zu kämpfen, der die Macht besaß, Menschen durch seinen Blick in Staub zu verwandeln, sodass ihre Überreste wie Asche über die Felder seiner Siege wehte. Es hieß, der

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