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Das Buch der verlorenen Dinge

Das Buch der verlorenen Dinge

Titel: Das Buch der verlorenen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
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duckte sich zum Sprung.
    Plötzlich ertönte hinter ihm ein Geräusch, ein ganz leises Klirren von Metall gegen Stein. Er fuhr herum, doch nicht schnell genug. Er sah noch eine Klinge aufblitzen, dann fraß sich ein Brennen in seine Kehle, so tief, dass er nicht einmal mehr einen Laut des Schmerzes oder der Überraschung ausstoßen konnte. Er drohte an seinem eigenen Blut zu ersticken, seine Läufe gaben nach, und er stürzte von dem Felsen, die Augen panisch aufgerissen, als der Tod sich über ihn senkte. Sein Blick brach, sein Körper zuckte noch einmal, dann blieb er reglos liegen.
    In seiner dunklen Pupille spiegelte sich das Gesicht des Krummen Mannes. Mit seinem Schwert hieb er dem Wolf die Schnauze ab und packte sie in einen kleinen Lederbeutel, der an seinem Gürtel hing. Eine weitere Trophäe für seine Sammlung. Wenn Leroi und sein Rudel die Überreste ihres Bruders fanden, würde ihr Fehlen ihnen zu denken geben. Sie würden wissen, mit wem sie es zu tun hatten, oh ja, denn niemand sonst verstümmelte seine Beute auf diese Weise. Der Junge gehörte ihm, ihm ganz allein. Kein Wolf würde sich über seine Knochen hermachen.
    Der Krumme Mann beobachtete, wie David und Roland vorübergingen. Scylla hielt einen Moment vor dem umgestürzten Baum inne, genau wie der Wolf vermutet hatte, dann sprang sie mit einem einzigen Satz hinüber. Als sie mit dem Jungen und dem Reiter Richtung Straße davonschritt, tauchte der Krumme Mann in ein Dornendickicht und war verschwunden.

20
    Von dem Dorf und Rolands zweiter Geschichte
     
     
     
    An diesem Morgen begegneten David und Roland niemandem auf ihrem Weg. Es überraschte David noch immer, dass so wenige auf der Straße unterwegs waren. Schließlich war sie in gutem Zustand, und es musste doch mehr Menschen geben, die von hier nach dort wollten.
    »Warum ist es so still?«, fragte er. »Warum sieht man nirgends Leute?«
    »Die Männer und Frauen haben Angst zu reisen, weil diese Welt immer seltsamer wird«, sagte Roland. »Du hast ja gesehen, was von den Männern gestern übrig war, und ich habe dir von der schlafenden Frau und der Zauberin erzählt, die sie mit ihrem Bann belegt hat. Es hat in diesem Land immer Gefahren gegeben, und das Leben war niemals einfach, aber jetzt gibt es neuartige Bedrohungen, und niemand weiß, woher sie kommen. Selbst der König ist sich ungewiss, wenn man den Gerüchten von seinem Hof glauben kann. Es heißt, seine Zeit ist bald vorüber.«
    Roland wies mit der Hand nach Nordosten. »Hinter den Hügeln ist ein Weiler, dort werden wir unsere letzte Nacht verbringen, bevor wir zu der Burg kommen. Vielleicht erfahren wir von den Leuten dort etwas über die Frau und das Schicksal meines Gefährten.«
    Nach einer weiteren Stunde kam eine Gruppe von Männern aus dem Wald, die Stöcke trugen, an denen tote Kaninchen und Maulwürfe baumelten. Die Männer waren mit Holzlanzen und kurzen, derb geschmiedeten Schwertern bewaffnet. Als sie das Pferd auf sich zukommen sahen, hoben sie warnend die Waffen.
    »Wer seid ihr?«, rief einer. »Kommt ja nicht näher, solange ihr euch nicht zu erkennen gegeben habt.«
    Roland zügelte Scylla, während sie noch außer Reichweite der Lanzen waren.
    »Ich bin Roland. Das hier ist David, mein Knappe. Wir sind unterwegs zum Dorf, in der Hoffnung, dass wir dort etwas zu essen und einen Platz zum Schlafen finden.«
    Der Mann, der gesprochen hatte, senkte sein Schwert. »Einen Platz zum Schlafen werdet ihr wohl finden«, sagte er, »aber wenig zu essen.«
    Er hob einen der Stöcke mit den toten Tieren. »Im Wald und auf den Feldern ist kaum noch Leben. Das hier ist alles, was wir in zwei Tagen erlegt haben, und obendrein haben wir noch einen Mann dabei verloren.«
    »Was ist passiert?«, fragte Roland.
    »Er bildete die Nachhut. Wir hörten ihn schreien, aber als wir zurückliefen, war er verschwunden.«
    »Und ihr habt keinen Hinweis darauf gefunden, wer oder was ihn getötet hat?«
    »Nein. Die Erde war aufgewühlt, wo er gestanden hatte, als wäre irgendetwas aus dem Boden herausgebrochen, aber das Einzige, was wir fanden, war Blut und irgendein widerwärtiges Zeug, das von keinem Tier stammt, das wir kennen. Er ist nicht der Erste, der auf diese Weise verschwunden ist, aber das Wesen, das dafür verantwortlich ist, haben wir noch nicht zu Gesicht bekommen. Wir verlassen das Dorf jetzt nur zu mehreren, und ansonsten warten wir ab, denn die meisten glauben, dass es uns bald in unseren Betten überfallen

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