Das Buch der verlorenen Dinge
Zauberer könne nicht durch die Waffen der Menschen getötet werden, und alle, die es versucht hatten, waren gestorben. Aber die Ritter glaubten, es gebe vielleicht doch einen Weg, seine Tyrannei zu beenden, 1 und außerdem lockte sie die reichhaltige Belohnung, die der wahre König des Landes, der sich vor dem Zauberer versteckt hielt, dem Retter versprochen hatte.
Der Zauberer trat den Rittern mit einer Armee bösartiger Dämonen auf der kahlen Ebene vor seinem Schloss entgegen, und dort begann ein wilder und blutiger Kampf. Während seine Kameraden den Klauen und Zähnen der Dämonen zum Opfer fielen oder vom Blick des Zauberers zu Staub verwandelt wurden, kämpfte Alexander sich durch die feindlichen Reihen, stets den Schild vor sich erhoben und ohne jemals in die Richtung des Zauberers zu blicken, bis er schließlich in dessen Hörweite gelangt war. Er rief Abuknezars Namen, und als der sich in Alexanders Richtung wandte, drehte dieser rasch seinen Schild herum, sodass die Innenseite auf seinen Feind wies. Alexander war die ganze Nacht aufgeblieben, um den Schild zu polieren, und nun glänzte und strahlte er in der heißen Mittagssonne. Als Abuknezar darauf blickte, sah er sein eigenes Spiegelbild, und im gleichen Augenblick zerfiel er zu Staub, und seine Armee von Dämonen löste sich in Luft auf und ward nie mehr gesehen.
Der König hielt sein Wort und wollte Alexander reich mit Gold und Juwelen beschenken und ihm seine Tochter zur Frau geben, auf dass Alexander dereinst König werden sollte. Doch Alexander lehnte all diese Geschenke ab und bat nur darum, dass ein Bote zu seinem Herrn geschickt würde, um ihm von Alexanders großer Tat zu berichten. Der König gelobte, dies zu tun, und so verließ Alexander ihn und machte sich wieder auf die Reise. Er tötete den ältesten und schrecklichsten Drachen aller westlichen Länder und schneiderte sich aus seiner Haut einen Mantel. Mit diesem Mantel schützte er sich gegen die Hitze der Unterwelt, aus der er den Sohn der Roten Königin befreite, der von einem Dämon entführt worden war. Bei jeder Tat, die er vollbrachte, sorgte er dafür, dass sein Herr davon erfuhr, und so wuchs Alexanders Ruhm immer weiter.
So vergingen zehn Jahre, und eines Tages war Alexander des Reisens müde. Er trug die Narben seiner vielen Abenteuer, und er war überzeugt, dass sein Ruf als größter aller Ritter nunmehr gefestigt war. Er beschloss, in sein eigenes Land zurückzukehren, und machte sich auf den langen Heimweg. Doch eine Bande von Dieben und Räubern überfiel ihn auf einer dunklen Straße, und Alexander, erschöpft von zahllosen Schlachten, war kaum in der Lage, sie abzuwehren, und wurde von ihnen übel zugerichtet. Er ritt weiter, doch er war geschwächt und verletzt. Auf einem Hügel vor sich erblickte er ein Schloss, und er ritt darauf zu und rief um Hilfe, denn in jenen Ländern war es Brauch, Fremden in Not zu helfen, und vor allem ein Ritter wurde niemals fortgeschickt, ohne alles bekommen zu haben, was ein anderer für ihn erübrigen konnte.
Doch es kam keine Antwort, obwohl in einem der oberen Fenster des Schlosses ein Licht brannte. Alexander rief erneut, und diesmal antwortete ihm eine Frauenstimme. »Ich kann dir nicht helfen«, sagte sie. »Du musst von hier fortgehen und anderswo Hilfe suchen.«
»Ich bin verletzt«, erwiderte Alexander. »Ich fürchte, ich muss sterben, wenn niemand meine Wunden versorgt.«
Doch wieder rief die Frau: »Geh. Ich kann dir nicht helfen. Reite weiter. Eine oder zwei Meilen von hier ist ein Dorf, dort wird man sich um dich kümmern.«
Da ihm nichts anderes übrig blieb, wendete Alexander sein Pferd von den Toren des Schlosses ab und wollte sich auf den Weg zu dem Dorf machen, doch da verließen ihn die Kräfte. Er fiel vom Pferd auf den kalten, harten Boden, und die Welt um ihn herum versank in Finsternis.
Als er wieder zu sich kam, lag er zwischen sauberen Laken in einem großen Bett. Der Raum, in dem er sich befand, war kostbar ausgestattet, aber mit Staub und Spinnweben überzogen, als wäre er seit langer Zeit nicht mehr benutzt worden. Er richtete sich auf und sah, dass jemand seine Wunden gesäubert und verbunden hatte. Seine Waffen und seine Rüstung waren nirgends zu sehen. Neben dem Bett stand etwas zu essen und ein Krug mit Wein. Er aß und trank, dann zog er sich den Morgenmantel an, der an einem Haken an der Wand hing. Er war immer noch schwach, und sein Körper schmerzte beim Gehen, aber er schwebte nicht länger
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