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Das Buch der verlorenen Dinge

Das Buch der verlorenen Dinge

Titel: Das Buch der verlorenen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
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sich nicht sicher.
    »Machst du dich über mich lustig?«, fragte Fletcher.
    Roland legte dem älteren Mann die Hand auf die Schulter. »Nur ein bisschen«, sagte er. »Die Soldaten haben den Kampf gegen das Ungeheuer aufgenommen wie den gegen ein feindliches Heer. Sie mussten auf unbekanntem Gelände kämpfen und gegen einen Feind, den sie nicht einschätzen konnten. Sie hatten zwar Zeit genug, Verteidigungswälle zu bauen, denn wir haben die Überreste davon gesehen, aber die waren nicht stark genug, um sie zu schützen. Sie mussten sich in den Wald zurückziehen, und dort fanden sie ihr grausames Ende. Was immer das für ein Wesen sein mag, es ist riesig und schwer, denn es hat ganze Sträucher und Bäume niedergewalzt. Ich glaube nicht, dass es sich schnell bewegen kann, aber es ist stark, und Lanzen und Schwerter können ihm offenbar nichts anhaben. Dort draußen hatten die Soldaten keine Chance gegen das Ungeheuer.
    Aber für dich und deine Gefährten sieht die Lage anders aus. Dies ist euer Land, und ihr kennt euch hier aus. Ihr müsst dieses Wesen betrachten wie einen Wolf oder Fuchs, der es auf eure Tiere abgesehen hat. Ihr müsst es an einen vorher ausgewählten Ort locken und es dort fangen und töten.«
    »Du meinst, mit einem Köder? Zum Beispiel Vieh?«
    Roland nickte. »Das könnte funktionieren. Das Ungeheuer kommt her, weil es Hunger auf Fleisch hat, und zwischen dem Ort seiner letzten Mahlzeit und diesem Dorf ist davon nicht viel zu finden. Ihr könnt euch hier verkriechen und hoffen, dass eure Mauern seinem Angriff standhalten, oder ihr könnt versuchen, es mit einem geschickten Plan zu vernichten, aber dazu werdet ihr mehr opfern müssen als ein paar Kühe oder Schafe.«
    »Was meinst du damit?« Fletcher sah ihn beunruhigt an.
    Roland tauchte seinen Zeigefinger in ein Gefäß mit Wasser, dann ging er in die Hocke und malte einen Kreis auf den Steinboden, bei dem er jedoch eine kleine Lücke ließ.
    »Das hier ist euer Dorf«, sagte Roland. »Eure Mauern sind dazu gebaut, einen Angriff von außen abzuwehren.« Er malte Pfeile, die von dem Kreis wegführten. »Doch was wäre, wenn ihr euren Feind hineinlassen und dann die Tore hinter ihm schließen würdet?« Roland vervollständigte den Kreis, und diesmal malte er Pfeile, die nach innen wiesen. »Dann werden eure Mauern zur Falle.«
    Fletcher musterte die Zeichnung auf dem Stein, die bereits trocknete und zu verschwinden begann.
    »Und was machen wir, sobald das Ungeheuer da drin ist?«, fragte er.
    »Dann setzt ihr das Dorf und alles, was darin ist, in Brand«, sagte Roland. »Ihr verbrennt es bei lebendigem Leib.«
    In der Nacht, während Roland und David schliefen, kam ein gewaltiger Schneesturm auf und überzog das Dorf und alles drum herum mit einer dicken weißen Decke. Auch den ganzen Tag über schneite es weiter, so dicht, dass man kaum mehr als ein paar Schritte weit sehen konnte. Roland beschloss, noch einige Tage im Dorf zu bleiben, bis das Wetter sich besserte, aber sowohl seine eigenen als auch Davids Vorräte waren aufgebraucht, und die Leute im Dorf hatten selbst kaum genug zu essen. So bat Roland um ein Gespräch mit den Ältesten, und sie trafen sich in der Kirche, denn das war der Ort, an dem die Dorfbewohner zusammenkamen, wenn es etwas Wichtiges zu besprechen gab. Er erbot sich, ihnen beim Kampf gegen das Ungeheuer zu helfen, wenn sie ihm und David dafür Unterschlupf gewährten. David saß auf einer der hinteren Kirchenbänke, während Roland den Ältesten seinen Plan erklärte und die Argumente dafür und dagegen vorgebracht wurden. Einige der Dorfleute waren nicht bereit, ihre Häuser den Flammen zu opfern, und David konnte es ihnen nicht verübeln. Sie wollten lieber abwarten, in der Hoffnung, dass die Mauern und Abwehreinrichtungen ausreichten, um sie vor dem Ungeheuer zu beschützen.
    »Und wenn sie nicht standhalten?«, fragte Roland. »Was dann? In dem Moment, wo ihr merkt, dass sie euch keinen Schutz bieten, ist es zu spät, um noch irgendetwas anderes zu tun als zu sterben.«
    Schließlich wurde ein Kompromiss vorgeschlagen. Sobald es zu schneien aufhörte, sollten die Frauen, Kinder und Alten das Dorf verlassen und sich in den Höhlen der nahe gelegenen Hügel verstecken. Sie sollten alles Wertvolle mitnehmen, sogar ihre Möbel, und nur die leeren Häuser zurücklassen. In den Häusern in der Mitte des Dorfes würden Fässer mit Pech und Öl gelagert. Wenn das Ungeheuer angriff, sollten die Verteidiger versuchen, es

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