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Das Buch der verlorenen Dinge

Das Buch der verlorenen Dinge

Titel: Das Buch der verlorenen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
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denk dran, es gibt nie etwas umsonst. Das mussten auch die Dorfleute lernen, als sie vor den Überresten ihrer Häuser standen. Für alles bezahlt man einen Preis, und es ist gut, diesen Preis in Erfahrung zu bringen, bevor man in etwas einwilligt. Dein Freund, der Förster, nannte diesen Kerl einen Trickser, und wenn das stimmt, dann darf man ihm nicht ohne weiteres vertrauen. Sei vorsichtig, wenn du dich auf einen Handel mit ihm einlässt, und achte sorgsam auf seine Worte, denn er wird nicht alles sagen, was er plant, und mehr verbergen, als er enthüllt.«
    Roland drehte sich nicht zu David um, während er sprach, und danach herrschte für viele Meilen Schweigen zwischen ihnen. Als sie ihr Nachtlager aufschlugen, setzten sie sich zu beiden Seiten des kleinen Feuers, das Roland entzündet hatte, und aßen, ohne ein Wort zu wechseln. Roland hatte Scylla den Sattel abgenommen und ihn gegen einen Baum gelehnt, weit entfernt von der Stelle, wo er Davids Decke ausgebreitet hatte.
    »Ruh dich ruhig aus«, sagte er. »Ich bin nicht müde, ich halte Wache, während du schläfst.«
    David dankte ihm. Er legte sich hin und schloss die Augen, aber er konnte nicht einschlafen. Er dachte an Wölfe und Loups, an seinen Vater und Rose und Georgie, an seine Mutter, die er verloren hatte, und an das Angebot des Krummen Mannes. Er wollte fort von hier. Wenn er dazu nichts weiter zu tun brauchte, als dem Krummen Mann Georgies Namen zu nennen, dann sollte er das vielleicht tun. Aber der Krumme Mann würde nicht wieder herkommen, solange Roland Wache hielt, und David spürte, wie in ihm die Wut auf Roland wuchs. Roland benutzte ihn. Sein Versprechen, ihn zu beschützen und zur Burg des Königs zu bringen, hatte auch einen Preis gehabt, und zwar einen viel zu hohen. David wurde auf die Suche nach einem Mann mitgeschleppt, den er überhaupt nicht kannte, für den nur Roland Gefühle hegte, und wenn man dem Krummen Mann glauben konnte, Gefühle, die alles andere als natürlich waren. Dort, wo David herkam, gab es Namen für Männer wie Roland. Sie gehörten zu den schlimmsten Namen, die man einem Mann geben konnte. David war immer ermahnt worden, sich von solchen Leuten fernzuhalten, und jetzt reiste er mit einem von ihnen durch ein fremdes Land. Nun, bald würden sich ihre Wege trennen. Roland ging davon aus, dass sie das Schloss am nächsten Tag erreichten, und dort würden sie endlich erfahren, was Raphael zugestoßen war. Danach würde Roland ihn zum König bringen, und dann hatte ihre Vereinbarung ein Ende.
     
     
    Während David schlief und Roland düsteren Gedanken nachhing, kniete der Mann namens Fletcher hinter der hölzernen Mauer seines Dorfes, den Bogen in der Hand und einen Köcher mit Pfeilen in Griffweite. Nehmen ihm kauerten noch andere, und ihre Gesichter wurden wieder vom Schein der Fackeln erleuchtet, genau wie einige Tage zuvor, als sie auf den Angriff des Ungeheuers gewartet hatten. Sie starrten auf den Wald vor ihnen, denn selbst in der Dunkelheit war zu erkennen, dass er nicht länger verlassen und still dalag. Schatten bewegten sich zwischen den Bäumen, Tausende und Abertausende von ihnen. Sie schlichen auf allen vieren, grau und weiß und schwarz, aber unter ihnen waren auch welche, die auf zwei Beinen gingen. Sie trugen Menschenkleider, doch ihre Gesichter wiesen noch die Züge der Tiere auf, die sie einst gewesen waren.
    Fletcher überlief ein Schauer. Das also war die Wolfsarmee, von der er gehört hatte. Noch nie zuvor hatte er so viele Tiere versammelt gesehen, nicht einmal als er in den Spätsommerhimmel geschaut und die Vögel gen Süden hatte ziehen sehen. Und es war nicht einfach nur eine Ansammlung von Tieren. Sie verfolgten ein Ziel, das weit über Jagd und Fortpflanzung hinausging. Mit den Loups als Anführern, die für Disziplin sorgten und den Feldzug planten, vereinten sie die furchteinflößendsten Eigenschaften von Mensch und Wolf in sich. Die Truppen des Königs würden nicht stark genug sein, um sie auf dem Schlachtfeld zu besiegen.
    Einer der Loups löste sich aus dem Rudel, trat an den Waldrand und blickte zu den Männern hinüber, die hinter der Verteidigungsmauer ihres kleinen Dorfes kauerten. Er war eleganter gekleidet als die anderen, und selbst aus dieser Entfernung konnte Fletcher sehen, dass er menschenähnlicher war als seine Gefährten, obwohl man immer noch das Tier in ihm erkennen konnte.
    Das war Leroi, der Wolf, der König sein wollte.
    Während des langen Wartens auf das

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