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Das Buch der verlorenen Dinge

Das Buch der verlorenen Dinge

Titel: Das Buch der verlorenen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
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Ungeheuer hatte Roland Fletcher erzählt, was er von den Wölfen und Loups wusste und wie David sie ausgetrickst hatte. Obwohl Fletcher dem Soldaten und dem Jungen von Herzen alles Gute wünschte, war er sehr froh, dass die beiden nicht mehr im Dorf waren.
    Leroi weiß es, dachte Fletcher. Er weiß, dass sie hier waren, und wenn er annähme, dass sie immer noch bei uns sind, würde er mit der geballten Macht seiner Armee angreifen.
    Fletcher erhob sich und blickte über das offene Gelände zu der Stelle, wo Leroi stand.
    »Was tust du?«, flüsterte jemand neben ihm.
    »Ich kusche nicht vor einem Tier«, sagte Fletcher. »Die Befriedigung will ich dieser Kreatur nicht geben.«
    Leroi nickte, als hätte er Fletchers Geste verstanden, dann fuhr er sich langsam mit dem krallenbewehrten Finger über die Kehle. Er würde zurückkommen, sobald die Sache mit dem König erledigt war, und dann würden sie sehen, wie mutig Fletcher und die anderen wirklich waren. Leroi wandte sich um und kehrte zu seinem Rudel zurück, und die Männer des Dorfes sahen hilflos zu, wie die große Wolfsarmee durch den Wald zog, auf dem Weg zur Eroberung des Königreichs.

24
    Von der Dornenfestung
     
     
     
    Als David am nächsten Morgen erwachte, war Roland fort. Das Feuer war erloschen, und Scylla stand nicht mehr neben dem Baum, an dem Roland sie angebunden hatte. David rappelte sich hoch und sah, dass die Hufspuren im Wald verschwanden. Im ersten Moment empfand er Besorgnis, dann so etwas wie Erleichterung, gefolgt von Zorn darüber, dass Roland ihn einfach ohne ein Wort des Abschieds verlassen hatte, und schließlich die ersten Anflüge von Furcht. Auf einmal erschien es ihm gar nicht mehr so verlockend, dem Krummen Mann allein gegenüberzutreten, und die Vorstellung, dass die Wölfe ihn aufspürten, noch viel weniger. Er trank aus seiner Feldflasche. Seine Hand zitterte, und er schüttete sich Wasser über sein Hemd. Als er versuchte, es wegzuwischen, blieb er mit einem eingerissenen Fingernagel an dem groben Stoff hängen. Ein Faden löste sich, und als er daran zog, riss sein Nagel noch weiter ein, was ihm einen Schmerzensschrei entlockte. Wutentbrannt schleuderte er die Flasche gegen den nächsten Baum, dann ließ er sich auf den Boden fallen und vergrub das Gesicht in den Händen.
    »Wozu sollte das gut sein?«, fragte Roland.
    David sah hoch. Roland saß auf Scyllas Rücken zwischen den Bäumen und musterte ihn.
    »Ich dachte, du hättest mich verlassen«, sagte David.
    »Wie kommst du denn darauf?«
    David zuckte die Achseln. Jetzt schämte er sich für sein kindisches Verhalten und seine Zweifel an Rolands Zuverlässigkeit, verbarg es jedoch, indem er zum Angriff überging. »Ich bin aufgewacht, und du warst weg«, sagte er. »Was sollte ich da wohl denken?«
    »Dass ich den Weg auskundschafte. Ich habe dich nicht lange allein gelassen, und ich nahm an, dass du hier in Sicherheit bist. Die Erde ist hier nur sehr dünn, und darunter liegt eine Felsschicht, sodass unser Freund sich nicht wieder über irgendwelche Tunnel anschleichen kann, und ich war die ganze Zeit in Hörweite. Du hattest keinen Grund, an mir zu zweifeln.«
    Roland saß ab und ging auf David zu, Scylla am Zügel hinter sich.
    »Zwischen uns hat sich etwas verändert, seit dieser hinterhältige kleine Kerl dich unter die Erde gezerrt hat«, sagte Roland. »Ich glaube, ich kann mir denken, was er dir über mich erzählt hat. Meine Gefühle für Raphael sind ganz allein meine Angelegenheit. Ich habe ihn geliebt, so viel kann ich dir sagen, und der Rest geht niemanden etwas an.
    Und was dich betrifft, du bist mein Freund. Du bist mutig, und du bist stärker, als du aussiehst und als du selbst meinst. Du bist in einem fremden Land gefangen, mit einem Fremden als einzigem Gefährten, und doch bist du Wölfen und Trollen entkommen, hast ein Ungeheuer vernichtet, das einen ganzen Trupp Soldaten getötet hat, und du hast den vergifteten Versprechungen des Krummen Mannes widerstanden. Und bei alldem habe ich nie erlebt, dass du verzweifelt warst. Als ich mich bereit erklärte, dich zum König zu bringen, dachte ich, du würdest mir eine Last sein, doch stattdessen hast du dich meines Vertrauens und meines Respekts würdig erwiesen. Ich hoffe, dass ich mich umgekehrt deines Vertrauens und deines Respekts würdig erwiesen habe, denn sonst wären wir beide verloren. Bist du jetzt bereit, mit mir zu kommen? Wir haben unser Ziel fast erreicht.«
    Er hielt David die Hand hin. Der

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