Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2
Spaltbreit geöffnet, und sah die weitläufigen Küchengewölbe und die großen Feuer, die dort brannten, und jene, die sich unablässig dort abrackerten, und die meisten waren Katzen – doch dort, fürwahr, an einem mächtigen Feuer, bückte sich Beren, und er war von der Arbeit mit Ruß und Schmutz bedeckt, und Tinúviel hockte auf dem Sims und weinte, doch bis jetzt wagte sie nicht, etwas zu tun. Tatsächlich hatte sie nur kurze Zeit dort gesessen, als plötzlich im Gemach die rauhe Stimme Tevildos ertönte. ›Nein! Wohin, in Melkos Namen, ist dieses verrückte Elbenmädchen geflüchtet?‹ Und Tinúviel, die das hörte, presste sich gegen dieMauer, doch Tevildo erblickte sie auf ihrem erhöhten Sitz und schrie: ›Jetzt singt der kleine Vogel nicht mehr! Komm herunter, oder ich muss dich holen, denn, merke dir, ich werde die Elben nicht darin bestärken, nur zum Spott bei mir um Gehör nachzusuchen.‹
Da begann Tinúviel, halb aus Furcht, halb in der Hoffnung, ihre klare Stimme möge bis zu Beren dringen, plötzlich sehr laut zu sprechen und ihre Geschichte zu erzählen, so dass das Gemach widerhallte. Aber Tevildo sagte: ›Leise, liebes Mädchen, wenn deine Geschichte draußen ein Geheimnis war, so ist sie gewiss auch nicht von solcher Art, sie drinnen herauszuschreien.‹ Darauf erwiderte Tinúviel: ›Sprich nicht so zu mir, o Katze, wenn du auch der mächtige Fürst der Katzen bist, denn bin ich nicht Tinúviel, Prinzessin der Feen, die sich dazu herabgelassen hat, dir einen Gefallen zu erweisen?‹ Bei diesen Worten nun, die sie noch lauter gerufen hatte als die vorigen, war aus der Küche plötzlich ein gewaltiges Krachen und Klirren zu hören, wo viele Metallgefäße und Tongeschirr zu Boden fielen. Aber Tevildo knurrte: ›Dort tappt dieser Narr herum, Beren, der Elb. Melko möge mich von solchen Tölpeln befreien‹ – doch Tinúviel, die erriet, dass Beren ihre Stimme erkannt hatte und von der Überraschung überwältigt worden war, legte ihre Furcht ab und bereute ihre Kühnheit nicht mehr. Gleichwohl war Tevildo über ihre hochfahrenden Worte sehr erzürnt, und wäre es nicht seine Absicht gewesen, zuerst zu erfahren, welch gute Nachricht sie ihm brachte, wäre es Tinúviel auf der Stelle übel ergangen. Und von diesem Augenblick an befand sie sich wirklich in großer Gefahr, denn für Melko und seine Vasallen waren Tinwelint und sein Volk Geächtete; und groß war ihre Freude, sie zu fangen und grausam zu behandeln, so dass Tevildo sich großer Gunst hätte erfreuen können, wenn er Tinúviel seinem Herrn ausgeliefert hätte. Er hatte wirklich,sobald sie sich zu erkennen gegeben hatte, die Absicht dies zu tun, nachdem er das Seinige von ihr erfahren hatte, doch an diesem Tage war sein Scharfsinn wahrhaftig eingeschläfert, und er vergaß sich ernstlich zu wundern, warum Tinúviel auf dem Sims vor der Luke hockte; er dachte auch nicht mehr an Beren, denn sein ganzer Sinn war einzig auf die Geschichte gerichtet, die sie ihm versprochen hatte. Darum verbarg er seine üble Laune und sagte: ›Ach, Herrin, seid nicht ärgerlich, sondern sprecht lieber, denn Säumen vergrößert nur meine Neugier – was ist es, das Ihr meinen Ohren anvertrauen wollt, die sich bereits spitzen?‹
Tinúviel aber sagte: ›Es gibt ein großes Tier, ungeschlacht und gewalttätig, und sein Name ist Huan‹ – und bei diesem Namen machte Tevildo einen Buckel, und sein Haar sträubte sich und knisterte, und das Licht seiner Augen wurde rot – ›und‹, fuhr sie fort, ›mir scheint, dass es eine Schande ist, einem solchen Wüstling zu gestatten, die Wälder heimzusuchen, ja sogar bis zur Behausung des mächtigen Fürsten der Katzen vorzudringen, meines Gebieters Tevildo‹; jedoch Tevildo erwiderte: ›Es ist ihm nicht gestattet, und er kommt niemals hierher, es sei denn heimlich.‹
›Wie immer es sich verhalten mag‹, sagte Tinúviel, ›nun ist er hier, doch mich dünkt, dass man sein Leben jetzt ein für alle Mal beenden könnte, denn, höre wohl, als ich durch die Wälder ging, sah ich ein großes Tier am Boden liegen, das wie in schwerer Krankheit stöhnte – und wahrlich, es war Huan, und ein böser Zauberbann oder eine schleichende Krankheit hat ihn niedergeworfen, und er liegt immer noch hilflos in einem Tal, weniger als eine Meile von diesen Hallen entfernt, in den westlichen Wäldern. Mit dieser Geschichte nun wäre ich deinen Ohren vielleicht nicht lästig gefallen, hätte nicht der Wüstling, als ich
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