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Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2

Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2

Titel: Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R.R. Tolkien
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von Tinúviel
    Manuskriptseite aus Der Fall von Gondolin
    Da atmete Tinúviel wieder frei, wie sie es nicht mehr getan hatte, seit sie aus den Hallen ihres Vaters geflohen war, und Beren erging sich ruhend in der Sonne, fern der Düsternis von Angband, bis die letzte Bitterkeit über die Knechtschaft von ihm wich. Und das Licht, das durch grüne Blätter fällt, das Lispeln reiner Winde und der Gesang der Vögel machen, dass sie jede Furcht verlieren.
    Schließlich kam des ungeachtet ein Tag, an dem Beren, aus tiefem Schlummer aufwachend, aufsprang wie jemand, der einem schönen Traum entsteigt und zu Verstand kommt, und er sagte: ›Lebewohl, Huan, treuester Gefährte, und du, kleine Tinúviel, die ich liebe, lebe auch du wohl. Um dies eine nur bitte ich dich, dass du geradewegs in die Sicherheit deiner Heimat heimkehren sollst, und der gute Huan soll dich begleiten. Ich aber – ich muss fort in die Einsamkeit der Wälder, denn ich habe den einen Silmaril, den ich hatte, verloren, und niemals darf ich’s wagen, mich Angamandi zu nähern, und deshalb kann ich auch nicht die Hallen Tinwelints betreten.‹ Darauf weinte er über sich selbst, doch Tinúviel, die in der Nähe war und sein Selbstgespräch gehört hatte, kam herbei und sagte: ›Nein, denn nun hat sich mein Sinn gewandelt, 11 und wenn du in den Wäldern wohnst, o Beren Ermabwed, so will ich es auch tun, und wenn du durch die Wildnis wandern willst, so will ich es ebenfalls tun, gemeinsam mit dir oder dir folgend: – doch niemals wird mein Vater mich wiedersehen, außer du führtestmich zu ihm.‹ Da war Beren wirklich froh über ihre liebevollen Worte, und gern hätte er mit ihr als Jäger in der Wildnis gelebt, doch sein Herz war gerührt von dem, was sie um ihn gelitten hatte, und um ihretwillen entsagte er seinem Stolz. Da redete sie auf ihn ein und sagte, dass es töricht sei, verstockt zu sein, und dass ihr Vater sie mit Freuden begrüßen werde, froh, seine Tochter lebend wiederzusehen. ›Und vielleicht‹, sagte sie, ›wird er sich schämen, dass sein Spott deine treue Hand dem Rachen Karkaras’ ausgeliefert hat.‹ Aber sie beschwor auch Huan, für eine Zeit mit ihnen zurückzukehren. ›Denn mein Vater‹, sagte sie zu ihm, ›schuldet dir großen Lohn, wenn er seine Tochter überhaupt liebt.‹
    So kam es denn, dass die drei wiederum zusammen aufbrachen und endlich zurückkehrten zu den Waldlanden, die Tinúviel kannte und liebte, zu den Häusern ihres Volkes und den tiefen Hallen ihrer Heimat. Als sie aber näher kamen, fanden sie Angst und Aufregung beim Volk, wie sie seit langem nicht vorgekommen waren, und als sie einige, die vor den Türen weinten, befragten, erfuhren sie, dass seit dem Tage von Tinúviels heimlicher Flucht Unglück sie heimgesucht habe. Den König nämlich hatte der Gram verzehrt, und seine alte Umsicht und Klugheit waren schwächer geworden. Seine Krieger waren nach allen Richtungen in die unwegsamen Wälder gesandt worden, um nach dem Mädchen zu forschen, und viele waren getötet worden oder waren auf immer verschwunden, und an allen nördlichen und östlichen Grenzen lag man im Krieg mit den Dienern Melkos, so dass das Volk große Furcht hatte, dieser Ainu werde mit seiner ganzen Streitmacht über sie kommen, um sie endgültig zu zerschmettern, ohne dass Gwendelings Zauberkraft stark genug wäre, die zahllosen Orks aufzuhalten. ›Und dann‹, so sagten sie, ›ist von allem das Schlimmste geschehen, denn schon seit langem hat KöniginGwendeling abseits gesessen, hat weder gesprochen noch gelacht und aus tiefen Augenhöhlen gleichsam in weite Ferne geblickt, und das Netz ihrer Zauber um die Wälder ist dünn, und die Wälder sind trostlos geworden, weil Dairon nicht zurückkehrt, und auch seine Musik ist auf den Lichtungen nicht mehr zu hören. Und nun erfahrt die schlimmste unserer schlechten Nachrichten, denn ihr müsst wissen, dass ein großer grauer Wolf, den Hallen des Unheils entfahren, über uns gekommen ist, erfüllt von ruchlosem Geist, und er rast umher, als peitsche ihn ein verborgener Wahnsinn, und niemand ist vor ihm sicher. Viele von uns hat er schon getötet, wenn er wild um sich beißend und schreiend durch die Wälder rast, so dass sogar die Ufer des Flusses, der vor den Hallen des Königs vorbeifließt, ein Ort geworden sind, wo die Gefahr lauert. Oft kommt der furchtbare Wolf dorthin, um zu trinken, und mit seinen blutunterlaufenen Augen und seiner heraushängenden Zunge sieht er aus wie der

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