Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2
brauchte, gab er ihm für die Reise zwei Führer; diese drei indes, Gumlin und die beiden Wald-Elben, hatten eine überaus mühselige Reise, denn obwohl es später Winter war, hatte Gumlin um keinen Preis bis zum Anbruch des Frühjahrs warten wollen.
Als sie sich nun der Gegend in Hisilóme näherten, wo Mavwin früher gewohnt hatte, nicht weit entfernt von ihrem jetzigen Wohnsitz, setzten gewaltige Schneefälle ein, wie es in diesen Landstrichen oft an Tagen der Fall ist, die eigentlich schon zum Frühling gehören. Dieser Schnee begrub Gumlin unter sich, und auf der Suche nach Hilfe stießen seine Begleiter unversehens auf Mavwins Haus, und als sie um Beistand baten, wurde er ihnen gewährt. Mit der Hilfe von Mavwins Gesinde wurde Gumlin gefunden, zum Haus getragen, und als er in der Wärme wieder zu sich gekommen war, erkannte er schließlich Mavwin und war überglücklich.
Als er nun wieder ein wenig zu Kräften gekommen war, erzählte er Mavwin seine Geschichte, und als er die Jahre vorüberziehen ließ und von Túrins tapfersten Taten berichtete,war sie froh; doch groß waren ihr Gram und ihr Abscheu, als sie erfuhr, dass er von Linwe 20 fortgegangen und wie es dazu gekommen war, und sie verließ Gumlin und weinte bitterlich. In der Tat hatte sie sich, seit sie wusste, dass Túrin, falls er lebte, ein Mann geworden war, schon lange gewundert, dass er nicht zu ihr zurückgekehrt war, und oft hatte sie gefürchtet, er könne bei diesem Versuch in den Bergen umgekommen sein; doch nun war die Wahrheit schwer zu ertragen, und sie war lange Zeit traurig, und auch Nienóri konnte sie nicht trösten.
Wegen des unwirtlichen Wetters blieben nun die beiden Begleiter Gumlins, die ihn aus Tinwelints Reich hergeführt hatten, bis zum Frühling als Gäste in Mavwins Haus, doch Gumlin starb in den ersten Tagen des Frühlings.
Da machte sich Mavwin auf, ging zu einigen Anführern der Umgebung, bat sie um Hilfe und erzählte ihnen die Geschichte von Túrins Schicksal, wie sie es von Gumlin erfahren hatte. Aber einige lachten und sagten, sie habe sich vom Gestammel eines sterbenden Mannes täuschen lassen, und die meisten sagten, sie sei vor Gram außer sich, und nur ein Narr könne auf den Gedanken kommen, jenseits der Berge nach einem Manne zu suchen, der seit vielen Jahren verschollen sei. ›Keinen Mann und kein Pferd werden wir für solche Suche hergeben‹, sagten sie, ›trotz all unserer Liebe zu dir, o Mavwin, Weib Úrins.‹
Darauf schied Mavwin weinend, doch haderte sie nicht mit ihnen, denn sie hatte wenig Hoffnung in ihr Ansuchen gesetzt und wusste, dass Vernunft in den Worten der Männer lag. Da sie gleichwohl keine Ruhe finden konnte, kam sie nun zu den beiden elbischen Führern, die bereits ungeduldig darauf warteten, in sonnige Gefilde zurückzukehren; und sie sagte zu ihnen: ›Geleitet mich zu eurem Herrn.‹ Und die beiden wollten sie davon abbringen und sagten, der Weg sei für eine Frau zu beschwerlich; doch Mavwin wollte nicht auf sie hören. Stattdessen bat sie ihre Freundin Airin Faiglindra 12 (langgelockt), die mit Brodda vermählt war, einem reichen und mächtigen Herrn dieser Gegend, ihr Gemahl solle Nienóri und ihren Besitz unter seine Obhut nehmen. Um dies musste Airin Brodda nicht lange bitten, und als Mavwin das erfuhr, wollte sie von ihrer Tochter Abschied nehmen; doch ihr Plan schlug fehl, denn Nienóri stand vor ihrer Mutter und sagte: ›Entweder du gehst nicht, o Mavwin, meine Mutter, oder wir gehen beide.‹ Und nichts konnte sie von ihrem Entschluss abbringen. So machten sich denn am Ende Mutter und Tochter zur beschwerlichen Reise bereit, und die beiden Führer waren darüber sehr ungehalten. Doch es traf sich, dass der Frühling, welcher auf den bitteren Winter folgte, sehr freundlich war, und trotz der Voraussagen der Führer gelangten die vier über die Berge und vollbrachten ihre lange Reise, ohne dass ihnen mehr Böses widerfuhr als Hunger und Durst.
Als sie endlich bei Tinwelint angelangt waren, warf Mavwin sich nieder, weinte und flehte um Vergebung und Mitleid für Túrin und bat um Hilfe für sich und Nienóri; doch Tinwelint hieß sie aufstehen, sich neben die Königin Gwedheling setzen, und sagte: ›Vor vielen Jahren habe ich Túrin, deinem Sohn, verziehen, ja schon als er diese Hallen verließ; und manch eine beschwerliche Suche haben wir unternommen, um ihn zu finden. Es war nicht mein Bann, der ihn aus meinem Reich verstieß, sondern Reue und Bitterkeit haben ihn in
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