Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2
Foalóke unter ihnen bereits bekannt, und es gab viele, welche die Schar dorthin führen konnten, wo er hauste, doch sein Name war für die tapfersten Männer ein Graus und der Landstrich, wo er wohnte, eine Gegend, über der Fluch und Angst lauerten. Nun lagen die alten Wohnsitze der Rodothlim recht nahe am Reich Tinwelints, wenn auch weit genug entfernt, doch der König sagte zu Mavwin: ›Harre nun bei mir aus, und Nienóri desgleichen, und meine Männer sollen gegen den Drachen ziehen und über alles, was sie an jenem Ort tun und entdecken, getreulich berichten.‹ Und seine Männer sagten: ›Ja, wir werden deinen Befehl ausführen, o König‹, doch in ihren Augen stand die Furcht.
Als Mavwin das sah, sagte sie: ›Ja, o König. Meine Tochter Nienóri soll in der Tat zu Füßen der Königin Gwedheling ausharren, aber ich, der es gleich gilt, ob ich sterbe oder lebe, ich werde dem Drachen ins Auge sehen und meinen Sohn finden‹; und Tinwelint lachte, doch Gwedheling und Nienóri, die besorgten, sie könne nicht im Scherz gesprochen haben, baten sie flehentlich, von ihrem Vorhaben abzulassen. Doch sie war unerschütterlich, weil sie fürchtete, ihre letzte Hoffnung, Túrin zu retten, könne durch die entsetzliche Angst von Tinwelints Männern zunichte werden, und niemand konnte sie umstimmen. ›Der Liebe entsprossen‹, sagte sie, ›sind alle Worte, dieihr sprecht, doch gebt mir lieber ein Pferd und, wenn ihr wollt, ein scharfes Messer, damit ich mich, wenn es nötig ist, selbst töten kann, und lasst mich ziehen.‹ Diese Worte nun setzten die Elben in Erstaunen; zwar waren die Frauen und Töchter der Menschen in jenen Tagen verwegen, und ihre Jugend währte lang, doch dies hielten alle für Wahnsinn.
Als Gipfel des Wahns musste es ihnen erscheinen, als Nienóri, angesichts der Hartnäckigkeit ihrer Mutter, vor ihnen allen sagte: ›Dann werde auch ich gehen; wohin meine Mutter Mavwin geht, dorthin kann ich umso leichter gehen, ich, Nienóri, Tochter Úrins.‹ Doch Gwedheling sagte zum König, er solle es nicht erlauben, denn sie war eine Fee und ahnte vielleicht dunkel, was geschehen würde.
Mavwin hätte nun den Streit beendet, den König verlassen und wäre in die Wälder gegangen, hätte nicht Nienóri sie am Gewand festgehalten und zum Bleiben gezwungen, und so redeten alle bittend auf Mavwin ein, bis man schließlich darin übereinkam, dass der König eine starke Streitmacht gegen den Foalóke entsandte, mit der Mavwin und Nienóri bis in die Gegend reiten sollten, wo der Drache zu finden war. Dann sollten sie einen hochgelegenen Ort aufsuchen, von wo sie sicher und wohlverborgen das Geschehen mit ansehen konnten, während die Krieger sich an den Wurm heranschlichen, um ihn zu töten. Von diesem Ort hatte nun ein Waldläufer erzählt, der von dort aus häufig aus der Ferne die Behausung des Drachen beobachtet hatte. Schließlich war die Schar der Drachentöter bereit, und den Männern standen stattliche Pferde zur Verfügung, schnelle Tiere mit sicherem Gang, obgleich das Waldvolk davon nur wenige besaß. Auch für Mavwin und Nienóri fanden sich Pferde, und sie ritten an der Spitze der Kriegerschar, und die Leute staunten sehr, wie sicher sie im Sattel saßen, denn die Männer Úrins und jene, unterdenen Nienóri aufgezogen worden war, waren geübte Reiter, und Knaben und Mädchen erlernten bei ihnen das Reiten schon im zarten Alter.
Nach einem Ritt von vielen Tagen gelangte der Zug nun in eine Gegend, die einst anmutig gewesen war, und ein geschwinder Fluss durchfloss sie in einem steinigen Bett; und das eine Ufer war hoch und baumbestanden, und auf dem anderen war das Land flacher, fruchtbar und ausgedehnt, doch jenseits des hohen Ufers rückten die Berge dicht heran. Als sie dorthin schauten, sahen sie, dass das Land überall unfruchtbar und im weiten Umkreis um die angestammten Höhlen der Rodothlim verdorrt war, und die Bäume waren zu Boden gequetscht oder umgeknickt. Eine schwarze Heide erstreckte sich bis zu den Bergen, und die Erde war von den großen Spuren zerfurcht, die der widerliche Wurm beim Kriechen hinterlassen hatte.
Groß ist die Zahl der Drachen, die Melko auf die Welt losgelassen hat, und es gibt unter ihnen größere und kleinere. Die kleinsten nun – die, gemessen an den Menschen jener Tage, indessen sehr groß sind – haben kaltes Blut, wie es den Würmern und Schlangen eigen ist, und einige davon sind geflügelt und bewegen sich mit ungeheurem Lärm und größter
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