Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2
Tastens, die ihnen unendlich vorkam, zu einem Fleck, wo ein fernes Licht schimmerte, und als sie sich diesem Schein näherten, stießen sie auf eine Tür, jener gleich, durch die sie eingetreten waren, jedoch nicht überwachsen. Dort traten sie hinaus ins Sonnenlicht, und für eine Weile waren sie geblendet, doch sogleich ertönte ein großer Gong, sie hörten das Klirrenvon Waffen, und im Nu waren sie von Kriegern in stählernen Rüstungen umringt.
Da blickten sie auf und konnten sehen, und sie befanden sich am Fuße der steilen Berge, und diese Berge beschrieben einen großen Kreis, der eine ausgedehnte Ebene einschloss, und darauf erhob sich – nicht genau in der Mitte, sondern eher näher dem Fleck, wo sie standen – ein großer Berg mit einer flachen Kuppe, und seht, auf dieser Höhe erhob sich eine Stadt im neuen Licht des Morgens.
Darauf redete Voronwe die Wachen der Gondothlim an, und sie verstanden, was er sagte, denn er bediente sich der lieblichen Sprache der Gnomen. 15 Da nahm auch Tuor das Wort und fragte, wo sie sich befänden und wer die bewaffneten Männer seien, denn er war ein wenig verblüfft und wunderte sich sehr über ihre vortrefflich geschmiedeten Waffen. Da sagte eine der Wachen zu ihm: ›Wir sind die Wachen vom Ausgang des Weges der Flucht. Freut euch, dass ihr ihn gefunden habt, denn vor euch seht ihr die Stadt mit den sieben Namen, wo alle, die im Krieg sind mit Melko, Hoffnung finden können.‹
Da sagte Tuor: ›Wie lauten diese Namen?‹ Und der Anführer der Wache gab zur Antwort: ›Solchermaßen sagt und singt man: Gondobar werd ich genannt und Gondothlimbar, Stadt aus Stein und Stadt der Bewohner der Steine; Gondolin, der Singende Stein, und Gwarestrin, Turm der Wacht, Gar Thurion oder der Verborgene Ort, denn verborgen bin ich den Augen Melkos; doch jene, die mich am meisten lieben, nennen mich Loth, denn wie eine Blume bin ich, oder auch Lothengriol, die Blume, die auf der Ebene blüht. In unserer alltäglichen Sprache jedoch‹, fuhr er fort, ›nennen wir sie meistens Gondolin.‹ Da sagte Voronwe: ›Bringt uns dorthin, denn gern würden wir diese Stadt betreten.‹ Und Tuor sagte, er tragegroßes Verlangen, die Gassen dieser schönen Stadt zu durchstreifen.
Darauf erwiderte der Anführer der Wache, dass sie, die Wächter, hierbleiben müssten, denn noch viele Tage ihres Monats der Wache lägen vor ihnen, dass Voronwe und Tuor jedoch ihren Weg nach Gondolin fortsetzen könnten; und außerdem sei kein Geleit erforderlich. ›Seht selbst‹, sagte er, ›die Stadt ist klar und sehr deutlich zu sehen, und die Spitzen ihrer Türme stechen in den Himmel über dem Berg der Wacht in der Mitte der Ebene.‹ Darauf wanderten Tuor und sein Gefährte über die Ebene, die wunderbar glatt war, nur hier und dort unterbrochen von runden, geschliffenen Felsblöcken, umgeben von Rasen oder von Teichen in steinigen Betten. Viele saubere Pfade liefen über die Ebene, und nach einem Tagesmarsch kamen sie im letzten Tageslicht zum Fuß des Berges der Wacht (der in der Sprache der Noldoli Amon Gwareth genannt wird). Dann begannen sie die gewundene Treppe hinaufzusteigen, die sich zum Stadttor emporzog; niemand konnte diese Stadt erreichen, ohne von ihren Mauern erspäht zu werden, weil er zu Fuß kommen musste. Als das westliche Tor golden im letzten Sonnenlicht lag, erreichten sie das Ende der langen Treppe, und von den Brustwehren und Türmen starrten viele Augen sie an. 16
Tuor aber blickte auf die Mauern aus Stein und die hochgereckten Türme, auf die glitzernden Zinnen, und er blickte auf die Treppen aus Stein und Marmor, gesäumt von zierlichen Balustraden und gekühlt vom Rinnen fadendünner Wasserfälle, die von den Quellen des Amon Gwareth den Weg auf die Ebene fanden, und er schritt dahin wie jemand, der einen Traum der Götter träumt, denn er glaubte nicht, dass solche Traumgesichte Menschen im Schlaf beschieden seien, so groß war sein Staunen über die Pracht Gondolins.
Indessen gelangten sie zu den Toren, Tuor in tiefem Staunen und Voronwe von großer Freude erfüllt, dass er das Wagnis bestanden, Tuor nach dem Willen Ulmos hierhergebracht und selbst das Joch Melkos für immer abgeworfen hatte. Obwohl er ihn nicht weniger hasste, fesselte ihn dieser Böse 17 nicht mehr durch ein lähmendes Entsetzen (und fürwahr, jener böse Zauber, den Melko auf die Noldoli ausübte, war der einer abgrundtiefen Furcht, so dass sie ihn immer in der Nähe wähnten, selbst wenn sie den
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