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Das Buch der Zeit Band 2: Die Sieben Münzen

Das Buch der Zeit Band 2: Die Sieben Münzen

Titel: Das Buch der Zeit Band 2: Die Sieben Münzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Prevost
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die die Straßen säumten, die Sträucher und Hecken in unterschiedlichen Grüntönen, die blauen Briefkästen vor den geteerten Einfahrten, der Bürgersteig, auf dem er das Skateboardfahren entdeckt hatte – mit den entsprechenden Folgen für Knie und Ellbogen -, der Laternenpfahl, um den er unzählige Male gekreist war . . . Doch er war nicht mehr zehn, er war nicht soeben aus dem Schulbus gestiegen, und seine Mutter erwartete ihn nicht mit seinem Pampelmusen-Orangensaft-Cocktail – »viele Vitamine für meinen Sam!« -und seinen Lieblingskeksen. Jetzt fühlte er sich hier fremd. Seine Kindheit erschien ihm fremd, das ganze Viertel und das, was hätte werden können, wenn nicht plötzlich alles eine andere Wendung genommen hätte.
    Er hielt einen Moment an und wartete, bis sich sein Herzschlag wieder einigermaßen beruhigt hatte. Sein Haus -sein ehemaliges Haus – war das dritte vor der Straßenecke, das mit den grünen Fenstern. Alicia wohnte ein Stück weiter die Straße hinauf auf der rechten Seite. Im Haus Nummer 18, vor dem er gerade stand, lebte Miss MacPie, die manchmal auf ihn aufgepasst hatte, als er klein war. Sie war gerade dabei, in ihrem Vorgarten die Rosen zu schneiden.
    »Miss MacPie?«, rief er über den Zaun.
    Augenscheinlich erstaunt über die unbekannte Stimme drehte sie sich um.
    »Ja, bitte?«
    »Ich bin es, Samuel Faulkner . . .«
    »Samuel Faulkner?«, wiederholte sie und rückte ihre Brille zurecht. »Gütiger Himmel, Samuel Faulkner!«
    Sie machte keine Anstalten, ihn zu begrüßen.
    »Ich hätte dich nicht wiedererkannt! Was machst du denn hier? Es ist doch bestimmt drei oder vier Jahre her, dass ihr hier weggezogen seid, nicht wahr?«
    »Ja, drei Jahre«, bestätigte Sam, etwas enttäuscht über den Empfang.
    Aber was hatte er sich eigentlich vorgestellt? Dass die Leute ihn mit lautem Hallo und einem Feuerwerk begrüßten?
    »Ein tragisches Unglück«, seufzte sie. »Naja, du wirst älter, irgendwann wirst du nicht mehr daran denken ... In deinem Alter hat man andere Dinge im Kopf, nicht wahr?«
    Sie lächelte steif und griff mit der freien Hand an ihre dicke Halskette mit den auffallend bunten Steinen – Miss MacPie hatte schon immer eine solche Schwäche für Schmuck gehabt, dass Allan Faulkner ihr den Spitznamen »Miss Elster« gegeben hatte: Alles, was auch nur irgendwie glänzte oder glitzerte, schien sie unwiderstehlich anzuziehen. Jetzt sah es beinahe so aus, als fürchte sie, Sam wolle ihr die wertvolle Halskette entreißen! »Na dann, auf ein andermal, Miss MacPie.«
    »Auf ein andermal, ja!«
    Damit wandte sie sich wieder ihren Rosen zu, als wäre nichts gewesen. Sam fand ihre Reaktion besonders enttäuschend, weil sich früher hier im Viertel alle sehr gut verstanden hatten. An dem Tag, als seine Mutter den Unfall hatte, war Miss MacPie ihn zum Beispiel im Krankenhaus besuchen gekommen, wo er auf seine Blinddarmoperation wartete. Sie hatte ihm sogar eine Schachtel Pralinen geschenkt, die sie dann vor seinen Augen eilig selbst vertilgt hatte – unmöglich, diesen kleinen Verführungen in Glitzerpapier zu widerstehen!
    Sam schluckte seine Enttäuschung hinunter, ging mit großen Schritten auf das Haus der Todds zu, die Einfahrt hinauf und drückte kräftig auf den Klingelknopf. Die Tür ging auf.
    »Was . . .?«
    Es war Helen Todds, Alicias Mutter. Sie war fast genauso hübsch wie ihre Tochter – die gleichen goldenen Locken, nur dass ihre Gesichtszüge weniger lebhaft waren. Sie war auch kleiner, als er sie in Erinnerung hatte.
    »Suchen Sie etwas?«, fragte sie freundlich.
    »Ich . . . ich bin's. Samuel Faulkner«, stotterte er.
    Ihre Augen weiteten sich vor Erstaunen, dann vor Freude:
    »Samuel Faulkner! Natürlich: Sam!«
    Sie umarmte ihn ohne Umschweife und küsste ihn geräuschvoll auf beide Wangen. Samuel spürte, wie etwas in seiner Brust sich zu lösen begann.
    »Sag mal, aus dir ist ja ein richtiger Mann geworden! Du siehst so gut aus wie dein Vater! Und bestimmt bist du genauso groß, nicht wahr? Du hast sicher Ferien, oder? Und nutzt die Zeit, um mal wieder hierherzukommen?«
    »Genau, ich . . . ich wollte fragen. Ich . . .«, stammelte er verlegen.
    Helen Todds lächelte.
    »Du willst bestimmt zu Alicia. Sie ist ausgegangen, müsste aber jeden Augenblick zurück sein. Ihr habt euch beim Judowettkampf gesehen, stimmt's?«
    Alicia hatte ihrer Mutter davon erzählt! Alicia hatte mit ihrer Mutter über ihn gesprochen! Seine Stimmung stieg schlagartig.
    »Ich habe

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