Das Buch der Zeit Band 2: Die Sieben Münzen
Mutter verantwortlich gefühlt?
Alicia blickte ihn von ihrem Sessel aus jetzt etwas weniger abweisend an. Sie wurde immer schöner.
»Du siehst, was passiert, wenn man alles für sich behält, Sam . . . Mir ging es schlecht, weißt du, sehr schlecht. Ich war in dich verliebt, ich schäme mich nicht, das zu sagen. Wie kleine Mädchen in ihren Traumprinzen verliebt sind. Ja, du warst mein Traumprinz. Und dann plötzlich – wie weggewischt, als existierte ich nicht mehr. Verschwunden, von der Landkarte ausradiert. Ich zweifle nicht daran, dass es für dich furchtbar gewesen sein muss, aber für mich war es auch nicht lustig.«
»Ich weiß nicht, was ich mit mir anfangen soll«, intonierte Jack White sehr überzeugend. Auch Sam wusste nicht, was er mit sich anfangen sollte . . .
»Hör zu, Sam, sei mir nicht böse, ich bin noch nicht so weit, dich wiederzusehen. Jedenfalls im Moment nicht. Außerdem ist da noch Jerry. Du hast ja gemerkt, wie eifersüchtig er ist. Vielleicht irgendwann . . .« Sie schenkte ihm ein kümmerliches Lächeln, und Sam wurde plötzlich klar, welch eine Verschwendung diese drei verlorenen Jahre für sie beide gewesen waren.
IX.
Man soll das Fell des Bären nicht verkaufen,
bevor man ihn geschossen hat. . .
Es sah aus,als sei über Nacht ein Orkan durch die Buchhandlung Faulkner gefegt . . . Samuel verschloss eilig das Fenster hinter sich, durch das er vom Garten aus eingestiegen war. Die Vorhänge waren beiseite gerissen, die Stehlampen umgestürzt, die Sofas umgekippt, ein riesiger Berg Bücher lag auf dem Fußboden. Er lief zur Eingangstür, um festzustellen, dass das Schloss mit Gewalt aufgebrochen worden war. Die Tür stand einen Spaltbreit offen. Ein Einbruch! Jemand war hier eingedrungen und ... Der Typ von Arkeos! Natürlich, der Typ von Arkeos musste es gewesen sein! Wie im Museum auch! Aber dann . . . Samuel spürte plötzlich ein Brennen aus der Magengegend, das langsam und schmerzhaft aufstieg und seine Speiseröhre zu versengen drohte. Der Sonnenstein! Wenn nun der Mann in Schwarz wegen des Sonnensteins gekommen war?
Kopflos, immer vier Stufen auf einmal überspringend, rannte Sam in den Keller, durchquerte mit einem Satz den Vorraum, hob den schweren Vorhang beiseite, stürzte in die dahinter versteckte Kammer und warf sich auf den Schalter des Nachtlichtes. Uff! Der Sonnenstein stand noch an seinem Platz, vollkommen intakt. Hier unten war also niemand gewesen. Aber was sollte dann . . .? Verwirrt stieg er die Kellertreppe wieder hinauf. In der Buchhandlung lag alles drunter und drüber, sie war offensichtlich bis in den kleinsten Winkel durchsucht worden. Überall aufgerissene Schubladen, Kissen, aus denen die Füllung herausgerissen war, hochgeschlagene Teppichecken . . . Das Tränengasspray, das sein Vater sich zu seinem Schutz zugelegt hatte, war unter einen Heizkörper gerollt. Doch der Eindringling schien sich in erster Linie für die Bücher interessiert zu haben: Sämtliche Regale waren leer geräumt, bei einigen Bänden war der Schutzumschlag abgerissen, ein paar hatte man sauber aufgestapelt, andere willkürlich irgendwohin geworfen. Die meisten lagen auf einem ungeordneten Haufen mitten im Leseraum. Unmöglich zu sagen, ob auch Bücher gestohlen worden waren, geschweige denn, wie viele.
Samuel ließ sich in den einzigen Sessel sinken, der noch an seinem Platz stand, und betrachtete das Chaos. Wonach hatte der Tätowierte also gesucht? Nach Informationen über Allan? Nach dem »Buch der Zeit«? Dem kleinen schwarzen Notizbuch? Sam beglückwünschte sich kurz dafür, dass er die Sachen wieder in ihr Versteck zurückgelegt hatte, das von dem furchterregenden Zan bewacht wurde. Immerhin waren sie da in Sicherheit.
Die entscheidende Frage war jetzt nur, was er tun sollte. Grandma anrufen? Das würde bedeuten, die Polizei zu alarmieren . . . Aber der Zugang zum Sonnenstein . . . Wenn er jedoch gar nichts unternahm, könnte der Mann in Schwarz in aller Ruhe wiederkommen und weitersuchen. Völlig ausgeschlossen.
Eine Weile versuchte Sam, das Für und Wider abzuwägen. Als er am Morgen in die Buchhandlung gekommen war, hatte er vorgehabt, die Spur seines Vaters weiterzuverfolgen: Er musste nur noch zwei Münzen finden, dann hätte er sieben zusammen. Zwei lächerliche kleine Münzen! Es konnte sich nur um ein oder zwei »Reisen« handeln, die in der Jetztzeit nur wenige Stunden dauern würden . . . Außerdem würde der Typ von Arkeos es wohl kaum riskieren, bei
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