Das Buch der Zeit Band 2: Die Sieben Münzen
sie. »Wenn ihr euch links haltet, immer an der Mauer entlang, kommt ihr zur Reinigungsklappe. Sie ist aus Holz, ein kräftiger Fußtritt dürfte genügen. Und solltet ihr . . . solltet ihr, wenn ihr draußen seid, zufällig meine Frau und meine Tochter treffen, sagt ihnen, dass ich sie liebe.«
Samuel winkte noch einmal kurz zum Abschied, dann ließ er sich, Kopf und Oberkörper zuvorderst, nach unten gleiten. Beinahe im selben Moment fühlte er den festgestampften Erdboden unter seinen Händen. Wenn er sich so platt wie möglich an den Boden drückte, hatte er gerade genug Platz, sich zu bewegen.
»Die Lampe, Samus!«
Diomedes reichte ihm die Brennschale. Um ein Haar hätte Sam sie umgestoßen, als er die Hand danach ausstreckte.
»Jetzt du, Kleine! Hab keine Angst, es ist nicht lang. Folgt nur der linken Mauer!«
Samuel schob sich, so gut es ging, nach vorn, um Lili Platz zu machen. Wenn er es hinbekam, nicht auf die Ziegel- und Zementbrocken zu achten, an denen er sich die Haut aufschürfte, gelang es ihm, mithilfe von Ellbogen und Knien Zentimeter für Zentimeter vorwärts zu robben.
»Alles in Ordnung?«, keuchte Sam.
»Abgesehen von der Hitze und der Dunkelheit«, kam es von Lili zurück.
Endlich sah es so aus, als wären sie an der Reinigungsklappe angelangt, von der Diomedes gesprochen hatte. Samuel musste eine komplizierte Drehung vornehmen – au, die Schulter! -, um jetzt mit den Füßen voran gegen das kleine Fenster treten zu können – au, der Hintern! Dann versuchte er die Beine anzuziehen, um Schwung zu holen, und versetzte der Klappe einige kräftige Tritte mit der Ferse. Irgendetwas auf der anderen Seite gab nach, und die Klappe schwang mit einem lauten Krachen auf.
»Gut gemacht, Sammy!«
Er ließ seine Cousine als Erste hindurchschlüpfen und zwängte sich dann seinerseits durch die kleine Öffnung.
»Uff! Hier ist die Luft doch gleich viel besser!«
»Wo sind wir?«
»Ich weiß es nicht«, gestand Sam und hob die Lampe. »Aber irgendwohin muss dieser Gang ja führen.«
Sie stiegen hinauf bis zu einer Tür, hinter der eine winzige Treppe nach draußen führte.
»Sieh nur, was da herunterkommt! Unglaublich!«
Ein Schauer grauer Steine ging über den Thermen nieder, und mittlerweile war der Boden von einem etwa zehn bis fünfzehn Zentimeter dicken Teppich bedeckt. Die düstere Wolke des Vesuvs hüllte die gesamte Stadt ein, man hätte meinen können, es sei tiefster Winter. Ein orangefarbener Schein leuchtete in kurzen Abständen über dem Vulkan auf, begleitet von dumpfem Grollen. Aus der Ferne drangen vereinzelte Rufe zu ihnen, aus denen Corvus' feines Stimmchen deutlich herauszuhören war.
». . . .neller! . . .ichtsnutze!«
»Jetzt nur nicht auffallen!«, murmelte Sam. »Verbirg dein Gesicht, wenn du kannst!«
Auf der obersten Stufe angekommen, rannten sie dicht an der Säulenhalle über die Palästra. Es bestand kaum Gefahr, dass Corvus sie erwischen würde, denn er war am anderen Ende des Geländes vollauf damit beschäftigt, seine Männer zu beschimpfen, weil sie das Schwimmbecken säubern sollten. Bei dem dämmrigen Licht dürfte es auch nicht schwierig sein, bis zum Sonnenstein zu gelangen. Oder sogar .. .
»Hier entlang!«
Samuel packte Lili und zog sie in entgegengesetzter Richtung, zurück zu den Frauenbädern.
»Was ist. . .?«
»Diomedes!«
Sie durchquerten die verlassene Eingangshalle und liefen zum Tepidarium. Schon von Weitem hörten sie den Sklaven gegen die Tür hämmern.
»Lasst mich raus! LASST MICH RAUS!«
»Diomedes, wir sind da!«
»Samus? Samus, ihr habt es geschafft?«
»Ja, durch die Klappe, wie du gesagt hast! Tritt ein Stück zurück, ich werde von dieser Seite drücken!«
Samuel drückte mit aller Kraft gegen die Tür, die kein bisschen nachzugeben schien. Die Eisenbeschläge und der Riegel waren einfach zu stabil. Er ging drei Schritte zurück und warf sich mit Schwung dagegen, doch das Einzige, das dabei krachte, war seine Schulter.
»Sammy, hör auf!«
Lili zeigte auf einen Punkt an der gegenüberliegenden Wand: Dort baumelte an einem großen Nagel ein Schlüssel. Wieder einmal ließ sich die Weltgeschichte in einem Wimpernschlag zusammenfassen: Männer gebrauchten ihre Muskeln, Frauen ihren Verstand! Samuel drehte den Schlüssel im Schloss, und die drei standen sich überglücklich gegenüber.
»Danke, Kinder! Danke! Ich werde nur schnell zu meiner Frau und meiner Tochter eilen, dann bringe ich euch an einen sicheren Ort!«
»Das
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