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Das Buch der Zeit Band 2: Die Sieben Münzen

Das Buch der Zeit Band 2: Die Sieben Münzen

Titel: Das Buch der Zeit Band 2: Die Sieben Münzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Prevost
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im Laden. Man hörte Stimmen und drinnen brannte noch Licht.
    »Auf jeden Fall müssen wir dort sein, bevor sie das Licht ausmachen«, meinte Lili.
    »Erinnerst du dich an die Geschichte mit dem Kellerfenster?«, fragte Sam.
    »Kellerfenster?«
    »Ja, davon hat Grandpa doch immer gesprochen, wenn er von seiner Jugendzeit erzählte. Wenn er zu spät nach Hause kam, ist er lieber durchs Kellerfenster geschlüpft als oben durch die Tür. Um seinem Vater aus dem Weg zu gehen . . .«
    »Und weiter?«
    »Es ließ sich nie richtig schließen . . .«
    »Du meinst, wir sollen uns wie Einbrecher bei unserem Urgroßvater einschleichen?«
    »Und was sollen wir ihm erzählen, wenn wir einfach so durch die Tür spazieren? Er wird uns rausschmeißen. Durch das Fenster kommt man in den Keller, dort können wir uns erst mal verstecken, bis wir mehr wissen. Und wenn wir sie ein bisschen belauschen, hilft uns das vielleicht weiter.«
    Samuel hegte zudem die heimliche Hoffnung, in dem Keller auf einen weiteren Sonnenstein zu stoßen. Schließlich sprach nichts dagegen, dass sich die Reiselust von Generation zu Generation weitervererbt hatte! Lili war zwar immer noch nicht begeistert von der Idee, aber sie hatte auch nicht die Kraft, sich länger mit ihm zu streiten. Also, auf zum Kellerfenster . . .
    Sie umrundeten den Häuserblock, bis sie die ebenerdige Öffnung entdeckt hatten. Eben, als Sam sich hinunterbeugte, um das Gitter zu öffnen, überquerte jemand die Straße. Sie drückten sich eng an die Mauer, und der Passant verschwand unter einem Torbogen. Ein Stück weiter parkten zwei Autos und ein kleiner Lieferwagen, aber sie waren leer. Sam kniete vor dem Kellerfenster und fing an, am Gitter herumzuhantieren. Doch sosehr er auch daran zerrte und rüttelte, es gab nicht mehr als einen winzigen Spaltbreit nach. Erst als er es loszuschrauben begann, löste es sich Millimeter um Millimeter aus der Wand. Er hob es aus dem Rahmen, legte es vorsichtig auf dem Boden ab, kroch als Erster hinein und half dann seiner Cousine. Der Raum duftete nach Kaffee und Gewürzen, aber es war so dunkel, dass man kaum die Hand vor Augen sah.
    »Rühr dich nicht vom Fleck, Lili«, wisperte er.
    Mit größter Vorsicht bahnte er sich einen Weg zwischen Säcken und Fässern hindurch. Eine Kiste mit Flaschen klirrte laut, als er mit seinem Fuß dagegenstieß! Sam erstarrte. Der Lärm musste in ganz Chicago, womöglich bis nach New York zu hören gewesen sein!
    Eine Sekunde verstrich, eine zweite . . . Da – draußen auf dem Bürgersteig hörte man Schritte. Sie kamen auf das Kellerfenster zu. Man hatte sie erwischt! Vor dem Gitter wurden die Schritte langsamer, und Sam erkannte in dem schwachen Licht ein Paar Lackschuhe mit weißen Spitzen. Dann entfernten sich die Schritte – uff!
    »Sammy, bist du sicher, dass . . .«
    »Schsch!«
    Sam arbeitete sich langsam weiter voran. Immer die Tür im Auge behaltend, unter der ein dünner Lichtschein hereinfiel. Er holte tief Luft, legte die Hand auf die Türklinke und drückte sie vorsichtig herunter. Sie war gut geölt. Langsam zog er den Türflügel zu sich, und ein schwacher Lichtschein erhellte den Keller.
    »... die Polizei? Warum nicht gleich die Armee, wenn du schon dabei bist! Du hast wohl nichts kapiert, Faulkner! Wir sind diejenigen, die die Polizei schmieren!«
    Es klang ironisch, beinahe sarkastisch. Samuel konnte nicht weiter als bis zu den unteren Treppenstufen sehen, doch er begriff sofort, dass sie einen ungünstigen Moment erwischt hatten.
    »Du weißt, was mit Wilson passiert ist?«, warnte eine von Zigaretten und Alkohol raue Stimme. »Wilson, der Zeitschriftenhändler an der Milwaukee Avenue . . . Abgebrannt, einfach so! Hat sich alles in Rauch aufgelöst! Du hättest ihn sehen sollen, wie er einen Wassereimer nach dem anderen geschleppt und dabei irgendwas von Pressefreiheit gejault hat! Aber die Freiheit hat ihren Preis, habe ich nicht recht, Faulkner?«
    »Keinen Cent kriegt ihr von mir«, gab eine dritte, eher fiebrige Stimme zurück.
    Samuel fiel es nicht schwer, die Stimme zu identifizieren. Sie war von der Intonation her wie die seines Großvaters, und es lag eine Wärme in ihr, die ihn an seinen Vater erinnerte, auch wenn die Klangfarbe eine andere war. James Adam Faulkner hatte Ärger mit der Chicagoer Unterwelt ... Hatten nicht in den Dreißigerjahren AI Capone und seine Leute die Stadt terrorisiert? Zum Beispiel, indem sie Geschäftsleute erpressten? Sam hatte genug Filme zu diesem

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