Das Buch der Zeit Band 2: Die Sieben Münzen
Schraffierung auf der Sonnenscheibe. Samuel stieß die Tür auf, was ein düsteres, wenig einladendes Glockenspiel in Gang setzte. Eine ältliche Frau mit auffallend kreisförmigem Gesicht blickte ihm miss-trauisch entgegen.
»Was kann ich für dich tun?«, fragte sie säuerlich. Sie sah ihn an, als wusste sie bereits, dass ein so ärmlich und geschmacklos gekleideter Bengel wie er wohl kaum ihren Umsatz in die Höhe treiben würde.
»Ich . . . ich suche ein Geschenk für meinen Vater.«
»Ein Geschenk für deinen Vater? Bist du sicher, dass du dich nicht in der Tür geirrt hast? Der Schnapsladen ist gleich nebenan.«
Sag doch gleich, dass du meinen Vater für einen Alkoholiker hältst, alte Eule, dachte Sam.
»Das heißt, eigentlich . . .«, begann er mit zuckersüßer Stimme, »eigentlich sammelt er Münzen.«
»Er sammelt Münzen, so, so«, knarrte sie. »Vielleicht sollte er dir damit lieber mal ein passendes Hemd kaufen?«
Ganz ruhig bleiben, nur nicht aufregen.
»Doch, doch, ganz sicher«, fuhr Sam unbeirrt fort und erinnerte sich an die Geldwechsler in Brügge. »Er sammelt venezianische Dukaten, Gulden, Straßburger Groschen -er hat einfach eine Leidenschaft dafür!«
»Straßburger Groschen sagst du«, wiederholte die Frau halb überzeugt. »Angenommen . . . Ich werde dir zeigen, was ich dahabe.«
Ohne ihn aus den Augen zu lassen, ging sie zu einem Schrank mit Glastüren, in dem Medaillen und Porzellan ausgestellt waren. Abgesehen von diesem Möbelstück bestand der ganze Laden aus einem seltsamen Durcheinander. Überall, auf dem Boden oder auf Regalen, standen die unterschiedlichsten Dinge, ohne dass man in ihrer Anordnung irgendeine Logik erkennen konnte. Sie zog eine Schublade heraus, in der, zu langen Reihen geordnet, verschiedene mehr oder weniger gut erhaltene alte Münzen lagen. Leider hatte keine von ihnen ein Loch in der Mitte. Das half ihm auch nicht viel weiter, denn selbst wenn es ihnen gelänge, einen neuen Sonnenstein aufzutreiben, wie sollten Lili und er ohne die passenden Münzen jemals wieder zurückreisen? Der Form halber nahm er zwei oder drei von den Geldstücken in die Hand und untersuchte sie interessiert, bevor er sie auf den roten Samt zurücklegte. Blieb noch die Spur des rätselhaften geschwungenen U . . .
»Das sind leider nicht die Art Münzen, die mein Vater sammelt«, erklärte er. »Aber Sie haben da ein sehr schönes Logo auf dem Schaufenster, können Sie mir sagen, was es darstellen soll?«
»Ein schönes Was?«, fragte die alte Eule nach und verdrehte ungläubig die Augen.
»Die Zeichnung unter dem Namen des Geschäftes. Ähnelt es nicht der Haube ägyptischer Götter?«
Falls er gehofft hatte, sie mit seinem Wissen zu beeindrucken, so hatte er sich getäuscht.
»Wenn du die Antwort schon weißt, wieso fragst du dann überhaupt?«
»Ich hätte nur gern gewusst, warum Sie sich für dieses Symbol entschieden haben und nicht für ein anderes«, beharrte er, »das ist alles.«
»Ich habe das nicht ausgesucht, und was geht dich das überhaupt an?«, regte sie sich auf.
Sie ließ die Schublade mit den Münzen zukrachen und stampfte zurück hinter ihren Tresen. Dabei streifte sie eine Säule, auf der eine Kristallschale stand, die Sam an irgendetwas erinnerte.
»Nun, Kleiner, kommst du mal zu einer Entscheidung? Gibt es hier irgendetwas, das dir gefällt, ja oder nein?«
Sam ließ sich nicht beirren. Wenn sie das Logo nicht selbst ausgesucht hatte, hieß das nur, dass es außer ihr noch jemanden geben musste. »Dann ist derjenige, der das Zeichen ausgewählt hat, vielleicht gerade auf der Baustelle? Ich habe den Lieferwagen Ihres Geschäfts davor parken sehen.«
Diesmal antwortete die alte Eule nicht sofort. Ihre Augen wurden noch ein kleines bisschen runder, und ein nervöses Zucken zeigte sich an ihrem Schnabel. Man hätte schwören können, dass sie Angst hatte.
»Eine Baustelle? Welche Baustelle?«, fragte sie mit unsicherer Stimme zurück.
Sam wagte einen Vorstoß ins Blaue. Welche Art von Information hoffte er zu bekommen? Wusste die Frau von der Existenz des Sonnensteins? Und was wäre sie bereit preiszugeben?
»Die Baustelle, auf der die Häuser abgerissen werden, im schwarzen Viertel. Ich habe mich gewundert, warum sich jemand von Ihnen für diese alten Häuser interessiert, die gerade abgerissen wurden. Ich glaube kaum, dass man dort irgendwelche archäologischen Schätze findet. . .«
»Ich verstehe kein Wort von dem, was du da redest«, wehrte
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