Das Buch der Zeit Band 2: Die Sieben Münzen
mein Sam . . .«, holte ihn ein köstlicher Duft nach Aufschnitt wieder zurück in die Realität. Sie fuhren gerade durch eine hügelige Landschaft, und Lili hatte den Inhalt von Kettys Reiseproviant auf ihrem Schoß ausgebreitet: Roastbeef, Würstchen, Salami, sauer eingelegtes Gemüse, kleine runde Brötchen, Pfannkuchen mit Zucker oder mit Schokolade gefüllt, ein echtes Feinkost-Picknick!
Samuel stellte sich ein Sandwich im XXL-Format zusammen, indem er alles übereinander stapelte, was es übereinander zu stapeln gab. Dann machte er sich daran, es zu verspeisen, während er gleichzeitig versuchte, den Blicken der Frau gegenüber auszuweichen – schließlich wusste er, was sich gehört. Dabei fiel ihm auf, dass der Herr mit der Melone sich von seinem Platz aus immer wieder wie zufällig umdrehte und verstohlene Blicke auf die Schauspielerin warf. Obwohl man sein Gesicht nicht erkennen konnte, nur die Bewegung seines Hutes, hatte seine Art, sie heimlich zu beobachten, etwas Unangenehmes.
»Möchtest du etwas trinken?«, fragte Lili.
Samuel nahm zwei Schluck von dem Zitronenwasser und überlegte, was der Unbekannte wohl im Schilde führte. Er wollte gerade seine Cousine diskret auf den Mann aufmerksam machen, als der Zug mit lautem Geheul in einen Tunnel brauste. Im Waggon wurde es für einen Moment stockfinster, und Sam spürte, wie etwas zu seiner Linken ihn streifte. Als es wieder hell wurde, war der Mann mit der Melone verschwunden . . . Oder nein, er hatte nur seinen Platz gewechselt und saß jetzt direkt hinter ihnen! Knapp zwei Meter von der jungen Frau entfernt!
Sam ließ seine Serviette auf den Gang fallen und bückte sich, um sie aufzuheben. Der Unbekannte war ganz in einen dunklen Mantel gehüllt, das Gesicht hinter dem hochgeschlagenen Kragen verborgen. In Hüfthöhe war der Mantel seltsam ausgebeult. . . eine Waffe? Als er dann die Schuhe sah, blieb Sam fast das Herz stehen: Der Typ trug genau die gleichen Lackschuhe mit den weißen Spitzen, die er an dem Abend, als die Banditen seinen Urgroßvater überfallen hatten, durch das Kellerfenster der Faulkners beobachtet hatte! Er hörte wieder das Klick-Klack, Klick-Klack der Absätze auf dem Asphalt. . . Der Mann mit der Melone hatte es gar nicht auf die Schauspielerin abgesehen, er war hinter ihnen her!
»Geh mal schnell zur Toilette«, nuschelte er seiner Cousine ins Ohr.
»Wie bitte?«
»Du musst sofort zur Toilette gehen«, wiederholte er. Lili sah ihn mitleidig an.
»Bist du übergeschnappt?«
Sam nahm den Zettel mit ihrem Fahrplan und kritzelte eilig auf die Rückseite: »Sag jetzt nichts. Der Typ mit dem Hut hinter uns ist uns gefolgt. Ich glaube, er hat eine Waffe. Geh zu den Toiletten in Wagen neun, ich komme nach.« Samuel zählte bis zwanzig, um ihr etwas Zeit zu geben. Er packte den Reiseproviant zusammen, lächelte der Schauspielerin noch einmal kurz zu und machte sich über den Gang auf den Weg Richtung Wagen neun. Er öffnete die Schiebetür, woraufhin er sich in einer Art Ziehharmonika befand, die die beiden Waggons miteinander verband. Die Fahrgeräusche waren hier ohrenbetäubend, und unter den Verbindungsstellen der Plattform sah man die Schienen vorbeijagen. Jetzt nur nicht einbrechen ... Er rannte durch Wagen acht, ohne auf die erstaunten Blicke der Reisenden zu achten, dann durch den nächsten Wagen, um schließlich abrupt abzubremsen: Um ein Haar wäre er mit dem Kopf in eine schwarze Tür mit der Aufschrift »Damen« hineingerannt.
»Kannst du mir erklären, was hier gespielt wird?« Wie ein Springteufel kam Lili aus dem Toilettenraum geschossen.
»Der Typ mit dem Hut«, stieß Sam atemlos hervor, »trägt Lackschuhe mit einer weißen Kappe.«
»Na toll! Und welche Farbe haben seine Socken?«
»Ich mache keine Witze! Er stand an dem Abend auf der Straße Schmiere, während seine beiden Komplizen James Adam angegriffen haben!«
»Willst du damit sagen . . . dass er zur Mafia gehört?« »Die Beule in seinem Mantel kommt bestimmt nicht von einem Poesiealbum in seiner Tasche!«
»Aber weshalb sollte er uns bis in den Zug gefolgt sein?«
»Wenn ich das wusste! Der Laden steht nach dem Erpressungsversuch vielleicht unter Beobachtung. Vielleicht wollen sie sich rächen . . .«
Samuel ließ die Schiebetür zur Seite gleiten, um sicherzugehen, die richtige Intuition gehabt zu haben. Gerade tauchte der Mann mit der Melone am anderen Ende des Gangs auf und nahm jeden einzelnen der Passagiere genau unter die Lupe.
»Er
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