Das Buch der Zeit Band 2: Die Sieben Münzen
Lexikon lösen muss.«
»Ein Rätsel, so, so . . .«
Sie begann, laut vorzulesen:
»MERWOSER = O
CALIF AL-HAKIM, 1010
$ 1 000 000!
XERXES, 484 V. CHR.
LANGE HER, ABER DER URSPRUNG
ÖFFNET DEN WEG
V. = o
IZMIT, UM 1400 ?
ISPAHAN, 1386«
»Sag mal, dein Geschichtslehrer ist nicht nur merkwürdig, bei dem tickt es echt nicht mehr richtig! Das da und Dracula, tolle Hausaufgaben für die Ferien!« Sie beugte sich über ihn und sah ihm mit ihren blauen Augen forschend ins Gesicht.
»Was verheimlichst du mir, Samuel?«
Unter Aufbietung aller Kräfte gelang es ihm, ihrem Blick standzuhalten.
»Nichts, Alicia, glaub mir, ich verheimliche dir nichts ...«
Ihr Gesicht befand sich etwa zwanzig Zentimeter vor seinem, und sie war einfach unerträglich schön.
»Du vergisst, dass wir zusammen aufgewachsen sind, Samuel. Selbst nach all den Jahren weiß ich genau, wann du lügst. Dein Vater löst sich mit einem Mal in Luft auf, du flüchtest dich hierher, weil du dich mit niemandem mehr verstehst, du schließt dich stundenlang hier ein und arbeitest an einem Referat über Dracula und irgendeinem komischen Rätsel . . . Die Krönung ist dieses Gemälde, das du im Fernsehen siehst und das tatsächlich auf dem Dachboden meiner Großmutter liegt!«
»Eine Kopie«, stotterte er, »es muss sich um eine Kopie handeln. Die Künstler haben sich damals ständig gegenseitig kopiert. . .«
Alicia nickte und strich mit dem Finger zärtlich über seine Wange.
»Schade«, murmelte sie, »du vertraust mir nicht wirklich.«
Sie nahm ihr Handy und trat einen Schritt zurück.
»Ich muss jetzt los, zu Melissa. Wir wollen heute Abend zum Zelten fahren.«
»Wirst. . . wirst du lange wegbleiben?«
»Übermorgen wollen wir zurückkommen. Hättest du Lust mitzukommen?« Eine Einladung . . . Alicia lud ihn ein! Seine Gedanken überschlugen sich: Natürlich hätte er unter anderen Umständen liebend gern mit Alicia gezeltet! Nichts auf der Welt hätte er lieber getan! Aber übermorgen bedeutete in zwei Tagen .. . Zwei Tage, das hieße für seinen Vater zwei Wochen! Unmöglich, definitiv unmöglich!
»Tut mir leid, Alicia«, erklärte er mit tonloser Stimme. »Ich habe schon etwas anderes geplant.«
»O. k., Mister Tut-mir-leid. Na dann noch viel Spaß mit deinen Hausaufgaben!«
Ohne ein weiteres Wort machte sie auf dem Absatz kehrt und ließ einen wie vom Blitz erschlagenen Sam zurück. Er war ein Hornochse! Warum hatte er nicht die Gelegenheit genutzt und mit ihr geredet? Ihr endlich alles gesagt? Vielleicht hätte sie ihn verstanden. Ihm sogar verziehen? Vielleicht hätten sie . . . Vielleicht, vielleicht. . .
Nachdem sie weg war, musste Samuel allein zu Mittag essen – die Eltern Todds arbeiteten beide. Lustlos kaute er an seiner Scheibe Schweinebraten in Ahornsirup und ging danach sofort zurück in Ricks Zimmer, um den Computer anzuschließen. Er wollte gezielt im Internet recherchieren, um Genaueres über Schloss Bran herauszufinden. Nach vielen enttäuschenden Ergebnissen – im Netz tummelte sich ein ganzer Haufen erleuchteter Dracula-Jünger, die reif für die Klapsmühle waren – gelang es ihm, ein paar zusätzliche Informationen über Transsylvanien zu sammeln, und er stieß auf ein Forum über Vlad Tepes, in dem nicht nur über die neusten Rezepte für Blutsuppe und fluoreszierende Vampirzähne diskutiert wurde. Von einem Australier bekam er die Internetadresse einer Seite mit Rollenspielen, die außer den üblichen Ritter-und-Drache-Kämpfen ein paar detaillierte Pläne der Burgen zu bieten hatte, in denen der Woiwode gehaust hatte. Schließlich stieß er dort auf ein Spiel mit dem Titel »Die Nacht von Strigoi«, dessen Spielleiter – ein Englisch sprechender, rumänischer Student – mithilfe der Universitätsarchive die Originalpläne von Schloss Bran rekonstruiert hatte. Noch dazu bestätigte der junge Historiker, dass es früher ein unterirdisches Gängesystem gegeben hatte, durch das die Bewohner im Notfall fliehen konnten. Nach seinen Informationen führten diese Gänge zu einer Mühle unterhalb des Schlosses, die man jedoch wegen Einsturzgefahr im achtzehnten Jahrhundert zugemauert hatte. Fieberhaft notierte Samuel sich alle Einzelheiten. Er hatte das Gefühl, seinem Ziel schon ganz nah zu sein: Vlad Tepes sollte sich lieber gut festhalten!
Am späten Nachmittag klingelte Grandpa an der Haustür. Er wirkte erleichtert und besorgt zugleich, was zur Folge hatte, dass die Falten in seinem Gesicht sich wie bei einem alten
Weitere Kostenlose Bücher