Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)
Weile nicht vom Fleck!“
Ein verächtliches Schnauben von Eitelfritz.
Und sein Vetter erwiderte gefährlich leise: „Den lass ich nicht ziehen. Den mach ich kalt, ich schwöre es! Der wird den Tag verfluchen, da seine Mutter ihn unter Schmerzen in die Welt warf, diesen räudigen Scheißhund!“ Er spie auf den Boden. „Da verlass dich drauf. Der wird quieken wie ’ne Sau vorm Stechen, der wird erleben, was Schmerzen sind!“
„Dazu musst du ihn erst einmal finden.“
„Das werd ich schon, keine Sorge.“
Er sah zu Eitelfritz, der grinste spöttisch, deutete mit der Flasche auf Roth und warf in abfälligem Ton hinzu: „Er glaubt nicht, dass der das Mädchen davonjagte, wie er behauptete. ’s war in der Nähe von Gaiberg, da wir ihn stellten. Das Weib muss bei ihm gewesen sein. Sicher sind sie irgendwo untergekrochen. War nicht gut machbar, jeden Stein und Balken nach ihnen abzusuchen, mitten in der Nacht, zumal es dauerte, bis wir die Gäule wiederhatten.“ Er nahm einen neuen Schluck und rieb sich mit dem Unterarm über den Mund.
„Sie ziehen von dort nach Heidelberg, da lass ich zehn Fürze drauf!“, ergänzte Roth. „Wir brauchen nur zu warten, sie laufen uns von ganz allein in die Arme. Und zwar bald.“
„So?!“, machte er höhnisch. „Und dann? Bist du taub? Hat er dein Gehör zertrümmert? Der Knecht sitzt im Gefängnisturm des Schlosses. Wer soll das Buch zurückbringen?“ Er sah vom einen zum anderen. „Blasen wir’s ab!“
„Du scheißt dir ins Hemd“, zischte sein Vetter.
„Sagen wir, ich bin vernünftig, im Gegensatz zu dir, der du alles schlimmer machst.“
„Wir bringen das zu Ende!“, bestimmte Roth.
„Ach was! Sollte das Mädchen in die Stadt kommen und das Buch zurückschaffen, wird niemand uns damit in Verbindung bringen. Wir hauen ab!“
„Wir können’s nicht aufgeben. Der Fremdling sah, was gelöscht wurde.“ Roth legte den Kopf schief. „Und wenn der Knecht das Maul aufmacht?“
Er beugte sich zu seinem Vetter hinab, zischte: „Ich hab ja auch zu ihm gesagt: ‚Junger Mann, mein Name ist von Massenfels, ich muss da eine Lehenssache im Kopialbuch Friedrichs III. löschen, sei doch so gut und bringe es mir!‘“
Ein Zittern zuckte durch Roths Leib. „Scheiße“, sagte er, „ich muss die Wunde versorgen.“
Mit einem Ruck richtete er sich auf. „Das habt ihr nicht längst getan?!“
Roth warf ihm einen vernichtenden Blick zu, versuchte aufzustehen, sackte jedoch wieder zurück, verlor dabei das Gleichgewicht – und wäre umgefallen, hätte er ihn nicht rasch an der Schulter festgehalten. Unwirsch wischte er seine Hand fort. „Weg, ich muss pissen.“
Am liebsten hätte er ihm nun erst recht einen Stoß verpasst. Aber so viel ritterliche Ehre war noch in ihm, an einem Verletzten würde er sich nicht vergreifen.
Sein Vetter ächzte, als er aufstand, um zur hinteren Tür zu gehen. Er humpelte hinaus. Massenfels sah ihm nach. Er war müde. Diese Scheißsache. Er fuhr sich mit der Rechten über den fast kahlgeschorenen Schädel. Wie weiter? Er stand noch immer inmitten des Raumes und starrte auf die erloschene Feuerstelle, als Roth zurückkam.
„Beim Pissen kam mir ein prächtiger Einfall, Männer“, hörte er seinen Vetter hinter sich.
Wären da nicht alle Zweifel der Welt angesichts ihrer Lage gewesen, er hätte geglaubt, einen triumphierenden Unterton in dieser blechdünnen Stimme auszumachen.
Dreiunddreißig
Hedwig wurde wach, weil sie fror.
Sie rührte sich, öffnete die Augen. Mondlicht hüllte den Boden in grauschattiges Licht. Sie lag noch, wie sie sich gebettet hatte, auf der Seite, die rechte Hand sacht auf Juli, die nah an ihrem Busen und Bauch schlief.
Die Stille der tiefen Nacht umgab sie. Sie hob den Blick. Ryss lag in gebührender Entfernung von ihr im Stroh und betrachtete sie.
Sie rieb die Lippen mehrmals aufeinander und fuhr sich mit der Zunge um die Zähne, ehe sie flüsterte: „Ihr schlaft also wieder einmal nicht?“
Er gab keine Antwort und stützte sich auf den rechten Ellbogen. Schließlich setzte er sich auf, verzog das Gesicht.
„Ihr habt Schmerzen.“ Vorsichtig, um Juli nicht zu wecken, richtete sie sich ebenfalls auf. „Sollen wir den Verband noch einmal erneuern?“, fragte sie.
„Seid Ihr behilflich?“, bat er.
Das Gefäß mit der halb aufgebrauchten Salbe für die Wunde hatte er nahe des Buches unters Stroh geschoben, nun holte er es hervor.
„Das Knie ich habe umwickelt ein zweites Mal, das geht
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