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Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Klaus
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betrachtete Juli, die brav und friedlich in Hedwigs Schoß lag und einen Strohhalm in ihren Fäustchen zu halten versuchte, und antwortete nicht.
    „Besser sie als Ihr“, sagte sie, und sie sagte es mit so viel Wärme in der Stimme, wie sie sich eben traute. „Wollt Ihr ein Auge auf Juli haben und schauen, dass sie nicht schreit? Ich suche, etwas Milch von den Kühen … ja?“
    Sie erhob sich und legte Juli dicht neben ihn, sodass ihre Tochter ihn sehen konnte. Sie wandte sich der Leiter zu, drehte sich noch einmal zu ihm um und sagte zu seinem Rücken: „Sie mag Euch.“ Und weil sie spürte, dass sie wieder rot wurde, stieg sie hastig die Leiter hinab.
    Sie fand tatsächlich einen Melkeimer und machte sich daran, die erste Kuh zu melken. Vielleicht lagerten auch hier Möhren? Aber obwohl sie Hunger hatte wie verrückt, und obwohl sie sich eigentlich sorgen müsste, merkte sie, wie ihre Gedanken alles andere als sorgenvoll durcheinanderpurzelten. Wie konnte es sein, dass sie seine Gesellschaft mit einem Mal so sehr genoss? Seine Unart zu schweigen oder draufloszuplappern, ihr nichtig erschien? Dass sie ihn … leiden konnte? Mehr als das womöglich? Sie war so durcheinander, dass sie erst dann gewahrte, dass drüben im Haus die Tür zuschlug, als die Kuh muhte.
    Ach herrje! Kam jemand auf den Stall zu? Sie konnte es keinesfalls darauf ankommen lassen, das abzuwarten. Und weder konnte sie den Eimer nun mit nach oben nehmen noch ihn mit dem bisschen Milch, das sie gemolken hatte, hier stehen lassen. Hastig setzte sie ihn an die Lippen. Trank gierige Schlucke, versudelte sich. Schritte im Schnee knirschten näher, begleitet von einem grollenden Husten. Vor der Tür spuckte der Mann aus. Rasch kippte Hedwig den Rest Milch nach hinten an die Stallwand und stellte den Eimer an seinen Platz zurück. Kletterte die Leiter hinauf mit einem so klopfenden Herzen, dass sie meinte, es müsse ihr aus der Brust springen. Sie ergriff Ryss’ ausgestreckte Hand und zog sich auf den Boden. Räuspergeräusche von unten. Schlurfende Schritte und ein Lichtschein näherten sich den Kühen. Hedwig wagte kaum zu atmen. Rasch und leise war sie neben Ryss dorthin gekrochen, wo Juli im Stroh gebettet lag. Ryss kauerte neben ihr und suchte den Atem zu beruhigen. Alles, was sie denken konnte, war: Nicht entdeckt werden! Lass ihn uns nicht entdecken! Und dann öffnete sich ein Tor in ihrer Leibesmitte, schwarz wie die schwärzeste Nacht, und eine Angst brach hervor, die sie im Mark erschütterte. Sie presste die geballte Faust auf den Mund, um kein Geräusch zu machen, spürte die Fingerknöchel hart an den Lippen. Sie wusste nicht, woher diese Furcht kam, dieses Wirbeln, das sie in einen Abgrund riss, als tue sich der Boden unter ihr auf, und sie fiel und fiel. Dort unter ihr muhte eine Kuh, die zweite fiel mit ein, und Hedwig bemerkte einen Gedanken, der ihr vor Augen führte, wie sehr sie sich seit Tagen nichts sehnlicher gewünscht hatte, als auf Menschen zu treffen, die ihr Schutz und Schirm geben konnten, und nun war dieser schwarze Wirbel ihre eigene Verderbtheit, die sie verschlang, da sie jetzt nur wünschte,
nicht
entdeckt zu werden. Starr und steif kauerte sie, unfähig, sich zu rühren, ausgeliefert diesem Durcheinander in sich und einer jäh auftauchenden Angst vor Ryss, vor seiner so ungewohnten, fremden Nähe, vor jener vertrauten Nähe zu Philipp oder ihren Eltern gar, die ebenfalls hineingesogen wurde in diesen Strudel, dessen mächtiges Reißen sie auseinanderzusprengen drohte.
    Atmen. Atme!, hörte sie eine Stimme in ihrem Kopf, und sie zwang sich, dieser zuzuhören und zu tun, was sie sagte. Sie lauschte auf das Rauschen in ihr, auf das Poltern ihres Herzens, und sie gab acht, wie sich ihre Brust hob und senkte. Schließlich war sie imstande, die Augen zu öffnen und auf den Kopf der Leiter zu starren, die wenige Schritt entfernt hinunterführte zu dem Mann, der seine Kühe molk. Sie schaute nur, der Strudel verlangsamte sich, das ängstliche Herz besänftigte sich, lindernde Leere breitete sich aus, in der gleich recht erschien, ob man sie entdeckte oder nicht. Das Geräusch des Milchstrahls, der in den Eimer traf, war stet. Dann vernahm sie das verdrießliche Murmeln des Mannes, der mit der Kuh zu murren schien, da sie weniger Milch gab, als er erwartete. Sie hörte das klatschende Geräusch, mit dem er das Tier tätschelte, sie hörte das Schleifen des Melkschemels auf dem Stroh und das Abstellen des Holzeimers, als er

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