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Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Klaus
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sich der nächsten Kuh zuwandte. Sie hörte sein Husten und Räuspern. Sie hörte, wie draußen ein Waldkauz schrie.
    Und Ryss neben ihr war ihr so fern und fremd, wie nur irgendein Mensch es sein konnte.
    Das Knirschen der Schritte verlor sich, verstummte.
    Der Bauer war fort.
    Hedwig zitterte. Plötzlich war ihr mehr als eiseskalt, sie rührte sich, schlang die Arme um die Brust, gewahrte die feuchte Stelle auf ihrem Mantel, wo sie die Milch übergeschüttet hatte. Sie rieb die Hände auf den Armen auf und ab und rutschte näher an Juli heran. Sie war in Schlummer gefallen. Ein Wunder, nachdem sie so lange nicht frisch gemacht worden war. Sicher rührte das von der Betäubung her. Sie fühlte sich plötzlich schuldig. Was, wenn ihr Kind Schaden nahm? Hedwig häufte mehr Stroh um sie herum an, betrachtete das schlafende Säuglingsgesicht. Julis Augen bewegten sich unter ihren Lidern im Schlaf.
    „Sie träumt“, hörte sie Ryss schräg hinter sich, und seine Stimme klang rau und fremd und greifbar gegenwärtig. Hedwig hatte plötzlich das Gefühl, als wisse er um die Angst, die sie im Griff gehabt hatte, und als verstünde er sie. Das machte sie erst recht verlegen. Es war unmöglich, ihm – irgendjemandem – diese Schwärze in sich zu offenbaren.
    „Sicher es sind gute Träume.“
    Sie drehte ihm nun doch den Kopf zu und wagte ein scheues, dankbares Lächeln. Sie schwiegen. Das Anknüpfen an … an was auch immer, schien schwer.
    „Maid Hedwig“, begann Ryss.
    Als sie ihn ansah, senkte er den Blick kurz auf den Strohhalm, mit dem er spielte, und sah sie dann wieder an. „Wir müssen überlegen, was tun wir.“
    Sie nickte.
    Schluckte.
    Dann atmete sie einmal tief auf.
    Aber es gab nichts zu sagen.
    Und so lag die Stille wieder zwischen ihnen wie ein Nebelhauch auf einer Winterwiese.
    Schließlich hob Ryss von Neuem an: „Ich bin nicht wendig genug, um zu suchen nach Essen. Ihr solltet gehen morgen früh zum Haus und bitten um Nahrung und Hilfe. Ihr und Juli. Dann zieht nach Heidelberg.“
    „Aber Ihr glaubt doch nicht im Ernst, dass ich Euch hier zurücklasse?!“
    Er lächelte auf den Strohhalm hinab und sagte: „Das ist freundlich von Euch, doch ich komme zurecht.“
    „Ihr seid verwundet, Ihr braucht etwas zu essen, vielleicht einen Bader, der die Wunde näht! Ihr wolltet mitkommen.“
    Immerhin widersprach er nicht.
    Sie hatte einen Kloß im Hals und einen Klumpen im Magen, und dort sperrte sich auch alles gegen seinen Vorschlag, der Unwohlsein auslöste, obwohl er möglicherweise einleuchtend war. Nein, war er nicht. Sie brauchte ihn als Zeugen!
    „Ich weiß mir zu helfen“, sagte er, und sie hörte, dass er bestimmend und abschließend klingen wollte, sich aber dennoch darüber freute, dass sie kümmerte, wie es ihm erging.
    Dass sie das so deutlich hörte, stellte sie mit Verwunderung fest. Doch es gefiel ihr auch, und so wagte sie, ihn anzusehen, so lange, bis er den Blick zu ihr hob. Da lächelte sie. Und Ryss lächelte zurück.
    Später, als sie Juli mit einem weiteren Stück Tuch aus ihrem Unterkleid frisch wickelte, weil sie aufgewacht war und zu murren begonnen hatte, fragte sie Ryss, während sie Juli wieder in das wärmende Wolltuch hüllte: „Was heißt Wolle in Eurer Sprache?“
    „Gwlân“, antwortete er, und es lag eine Sanftheit in seiner Stimme, die wie ein schützendes Licht den letzten Rest Finsternis in ihr vertrieb.

Zweiunddreißig
    Die Nacht war still, als hielte die Welt den Atem an. Wie er selbst. Er lauschte auf jedes Geräusch, doch nichts, aber auch gar nichts kündete von Roths Kommen. Zum Henker, wo blieb sein Vetter bloß? Es musste weit nach Mitternacht sein!
    Seit er wusste, dass der Kanzleiknecht in Gewahrsam genommen worden war – und das war seit dem frühen Nachmittag –, wurde er vor Ungeduld fast verrückt. Er hatte einige Zeit damit hingebracht, sich in der Stadt umzutun, hatte dabei von des Knechts Gefangennahme erfahren und herausgefunden, dass die Familie des Mädchens angerückt war und in deren Wohnung hauste. Ja tausendmal Scheißdreck, ging’s noch beschissener?! Und nun?
    Um sich abzulenken, war er zum Marstall geritten, hatte sich bei Kumpanen niedergelassen. Nach gemeinsamer Zeche war er vor Mitternacht in Boltzheims ledig stehendes Haus zurückgekehrt, das ihnen in der Jakober Vorstadt als Lager diente. Hatte ein Feuer entzündet. Hockte nun in der kleinen Steinhalle und wartete auf Roth und Eitelfritz, fragte sich, warum sie nicht

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