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Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Klaus
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allein.“ Er sprach leise, der Nacht und der Örtlichkeit angepasst.
    Umso lauter tönte das Knurren von Hedwigs Magen in der Stille. Sie legte die Hand darauf. Ob sie noch einmal hinunterklettern und es erneut mit Melken versuchen sollte? Aber dort unten war es stockfinster, viel dunkler als hier oben auf dem Heuboden. Außerdem würden die Tiere sicher unruhig werden. Nein, es war zu waghalsig. Also versuchte sie, dem schrecklichen Hunger keine Beachtung zu schenken und wandte sich Ryss zu, der seinen Umhang abstreifte.
    „Am Morgen Ihr geht zeitig hinüber zum Wohnhaus und bittet um Essen“, sagte er.
    „Was werden die Leute denken, wo ich herkomme?“
    Ryss schälte sich aus seinem Wams, und wie schon zuvor half Hedwig ihm, das Hemd über den Kopf zu streifen. Sie wickelte den Verband ab. Ryss zitterte in der kalten Nachtluft. Das Gefühl, die Arme wärmend um ihn legen zu wollen, traf sie unerwartet heftig.
    „Die Wahrheit. Halb. Entführung, Flucht, verirrt“, antwortete er, während er das Gefäß heranzog und Salbe auf seine Wunde strich.
    Hedwig setzte sich etwas von ihm weg ins Stroh.
    „Ryss“, sagte sie.
    Er fuhr mit seinem Tun fort, erst als sie nichts weiter sagte, hielt er inne und sah auf.
    „Es geht nicht.“ Sie hob erklärend die Arme. „Man würde mir anmerken, dass ich mich in Worten verstricke. Davon abgesehen braucht Ihr ebenfalls etwas zu essen.“
    Er neigte den Kopf, besah die Wunde und nahm das Tuch. Sie ging zu ihm und band es um den Arm.
    „Außerdem habt Ihr zugesagt mitzukommen.“
    „Wir entscheiden am Morgen“, entgegnete er lediglich.
    Er klang müde. Und auch, als habe er jetzt keinen Kopf, das mit ihr durchzusprechen. Hedwig merkte, dass ihr das gar nicht unrecht war. Der Morgen würde eine Entscheidung von ihnen fordern. Sie möglicherweise gar trennen, wenn er weiterhin darauf beharrte, dass es besser für sie wäre, sie zöge allein nach Heidelberg. Sie mochte nicht daran denken. Sie half ihm in sein Hemd, genoss den Geruch, der ihm entströmte. Auch beim Wams half sie ihm, dann setzte sie sich wieder ins Stroh und sah zu, wie er es schnürte.
    „Wie lange seid Ihr schon in Deutschland?“, fragte sie.
    Er schob die Lippen vor, als er überlegte. „Frühjahr“, antwortete er dann.
    „Ihr sprecht die Sprache gut.“
    „Ich tue mich leicht mit Sprachen.“
    Sie nickte anerkennend.
    „Ich spräche auch gerne eine andere Sprache.“
    „Lernt eine.“
    Verlegen neigte sie den Kopf. Vielleicht sollte sie das wirklich tun. Sie könnte Madame Belier bitten, ihr die Anweisungen in zwei Sprachen zu geben, das wäre ein Anfang. Sie sah wieder zu ihm hin und fragte: „Sprecht Ihr noch andere? Seid Ihr viel herumgekommen?“
    „Englisch, ein wenig Flämisch, etwas Französisch, einige Sätze Spanisch … ja.“
    „Oh!“, entfuhr es Hedwig. „Wart Ihr in jedem dieser Länder?“
    Er legte seinen Umhang um. „Nein. Ich zuerst ging nach London, lebte da ein Jahr. Händler, Krieger und Piraten, Streuner, Schauspieler und Gott weiß wer dort sprechen in vielen verschiedenen Zungen. Man schnappt auf einiges. Später ich fuhr auf einem Handelsschiff nach Flandern. Auch da sich tummelt allerlei buntes Volk.“
    „Dann seid Ihr schon lange von zu Hause fort?“
    Er antwortete nicht, sah unter sich, und Hedwig dachte, dass sie ihm sicher wieder zu nahe getreten war. Und richtig, der Ton, in dem er sagte „Fünf Jahre bald“, war genau jener, mit dem er sie ansonsten auch in die Schranken verwiesen hatte. Doch dann hob er den Kopf, schmunzelte und sagte, wobei sein Tonfall wieder ein entspannter war: „Und dort, in Flandern, ich hörte von der schönen Pfalz. Man spricht von der fruchtbaren Landschaft Eurer Heimat, dem guten Wein, man spricht vom aufblühenden Hof Eures Fürsten und vom Wohlstand, den in das Land tragen zugezogene Glaubensbrüder. Kavaliere aus einiger Herren Länder versicherten, es sei lohnend, zu gehen in die Pfalz.“
    „Tatsächlich?“, staunte Hedwig. „So spricht man woanders über uns?“
    „Ihr wisst das nicht? Ihr arbeitet in einem Handelshaus. Es muss Euch doch sein geläufig.“
    „Nun ja, sie sprechen über Handelsgeschäfte und Tuchpreise.“ Sie zuckte die Schultern. So viel bekam sie ja nun auch wieder nicht mit. „Aber sagt“, begann sie, „wie ist es denn in
Eurer
Heimat? Sicher ist es dort ebenfalls schön, was?“
    Jetzt sah er erneut unter sich. Und Hedwig wusste mit einem Mal, dass sie warten konnte. Seine Rede glich dem Mond,

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