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Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Klaus
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zuletzt. Doch keine Spur von ihm.“
    „Und dann?“, fragte Hedwig nach einer Weile, in der Ryss wieder geschwiegen hatte.
    Langsam fuhr er fort, mit einer Stimme, die müde klang und traurig. „Ich kämpfte mich zurück, holte zu Hilfe Männer des Dorfes, meinen Vater, Taliesins Vater, den Schmied, den Seiler. Wir fanden ihn nicht. Keine Fackel der Welt konnte erhellen die Finsternis in mir.“
    Wieder wartete Hedwig eine Weile, dann fragte sie schlaftrunken: „Und Elin?“
    „Als sie hörte von dem Unglück, sie schrie so laut, man meinte, es stürze ein der Himmel. Sie aß nicht.“ Wieder verstummte er. Dann: „Mehr Beweis ich brauchte nicht. Im April es gab Tauwetter, man fand ihn fünfzehn Meilen flussaufwärts. Ich ging nicht zu seiner Beerdigung. Ich ging fort.“
    So weich, so traurig pochte ihr Herz. „Also hat sie Euch angelogen“, sagte Hedwig leise.
    „Glaubt mir, ich habe oft gedacht darüber. Sie hat getändelt mit uns beiden. Hat uns beide gleichermaßen getäuscht. Ist sie ein leichtfertiges Mädchen? Und nicht das sanfte, süße Geschöpf, für das ich hielt sie? Ich kam zu keinem anderen Schluss. Nie. Ich habe mich narren lassen.“
    „Aber Ihr habt nie wieder mit ihr gesprochen, nicht wahr? Ihr wisst nicht, ob es sich wirklich so verhält, wie Ihr denkt. Sie war jung“, nahm Hedwig das Mädchen in Schutz und gähnte.
    Matt erwiderte er: „Es hat gelehrt mich, nicht mehr zu sein so leichtgläubig. In Flandern ein Seemann mir sagte: ‚Die See ist weit und schön, rau und wild. Und in ihren Tiefen unergründlich und grausam. Wer weiß schon, was sich verbirgt unter Wellen, die lieblich plätschern an Ufer! Niemand erahnt das, ergründet es. So auch ist die menschliche Natur. Tief und unergründlich.’ Es stimmt. Menschen können einem erzählen viel.“
    Das war es also. Daher rührte sein Misstrauen, seine Verschlossenheit. Hedwig spürte tiefes Mitgefühl für ihn. Plötzlich verstand sie, was ihn ausmachte. Sie hatte Ryss misstraut. Doch dies war nur der erste Blick. Und der zweite offenbarte einen Menschen, der litt. Der ihr geholfen hatte. Sie sank hin zu ihrem eigenen Empfinden, ihrem eigenen Sein, dessen Wurzeln ebenso wie die seinen tief in etwas steckten, das mit dem bloßen Auge nicht zu sehen war. Und mit einem Mal war sie gewiss: Eines jeden Menschen Handeln gründete auf derlei Verborgenem, und man stand da und wunderte sich und begriff es nicht oder ärgerte sich – und doch, wenn man erfuhr, was den anderen bewog, so war es verständlich! Man konnte einen anderen anschauen, aber nicht hineinblicken. Doch hatte man Gelegenheit dazu und tat es – und das war das Allerverblüffendste –, so war ein jeder gleich recht, denn was ihn im Innern plagen mochte, unterschied sich ja gar nicht! Man wollte, dass jemand einen mochte. Man wollte jemandem oder etwas zugehören. So übermüdet sie auch war, begriff sie, dass man den Stand zwar an der Kleidung erkannte, doch darunter war ein jeder Mensch.
    „Und daran ich mich hielt“, unterbrach Ryss die Stille. „Niemals es erfuhr ein Weib viel von mir. Und es gab ungezählte.“ Er schenkte ihr ein müdes Lächeln, in dem eine Spur Verwegenheit auftauchte. „Ich sogar habe daran gedacht, Euch zu bringen zum Flammen. Zu Anfang. Nein, schaut nicht so – es ist, wie ich meist tue, auch wenn es ist nicht rühmlich.“
    Hedwig war ganz heiß geworden. Dass er dies so freimütig bekannte! Hold wie die aufgehende Sonne. Stolz, Freude, Verlegenheit und Unsicherheit – als sei ein Windstoß in sie gefahren, wirbelte all dies in ihr durcheinander.
    „Ich weiß, dass ich so tue, um zu vergessen den Schmerz. Lange ich weiß das schon. Was ich weiß kurz, ist, dass es kann niemals füllen die Leere. Und dass ich sehe, dass da
ist
Leere, das ist, was ich zu danken habe Euch.“
    Oh gütiger Gott! Was geschah hier nur? So schöne Worte hatte kaum je ein Mann zu ihr gesprochen. Sie hatte nicht gewusst, dass ein Mann zu solchen Aussagen überhaupt fähig war.
    „Ich sage, ich will sein ehrlich zu Euch. So hört, dass ich Euch hielt für eine Närrin. Ihr glaubt an die Liebe. Dass Ihr das tut, ist zu hören in jedem Wort, das Ihr sprecht über Euren Ehemann. Die Liebe ist eine Sache für Narren und Träumer. Das ich mir sage seit fünf Jahren. Mit jedem Tag ich habe es geglaubt mehr. Und dann kommt Ihr. Und Euer Ehemann tut etwas, das er nicht darf tun, zu retten Euch, weil er liebt Euch. Und Ihr beweist Mut und Tatkraft, um zurückzukehren zu

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