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Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Klaus
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desto lauter wurden das Rufen und die Schießgeräusche der Musketen. Rechter Hand sah man vier große Steinhäuser, an das letzte und niedrigste schloss sich das Tor zum Platz an, es war geschlossen. Die Straße lief nun schnurgerade an der mehr als mannshohen Mauer entlang, Hedwig und Ryss folgten ihr. Auch die linke Seite der Straße säumte eine Mauer, unterbrochen von kleinen Durchgängen, dahinter lagen Gärten und Weingärten. Das Gewusel nahm zu. Wie durch einen Schlauch drängten sich die Menschen. Manche suchten auf Zehenspitzen vergebens einen Blick über die Mauer auf die Trillereien zu werfen, andere standen in Gruppen zusammen, hielten einen Schwatz und versperrten dadurch den ohnehin schmalen Weg, da man des Schnees wegen ja nur in der Mitte einigermaßen gut gehen konnte.
    Hedwig dachte an Philipp und dass sie ihm mit jedem Schritt näher kam. Wie ging es ihm, was tat er? Und was mochte er von Ryss halten? Musste sie ihm sagen, dass sie zusammen auf engstem Raum gelegen hatten? Wäre er eifersüchtig? Ach was! Er hatte keinen Grund dazu, und sie hatte sich nichts vorzuwerfen. In einer solchen Lage war man aufeinander angewiesen. Jäh formte sich eine weitere Frage. Sie blieb stehen.
    „Was ist?“, erkundigte sich Ryss und hielt ebenfalls an.
    Sie schaute in sein schmales Gesicht. „Was bedeutet es für Philipp, dass Ihr und ich aus den Fängen der Übeltäter entkamen? Mit dem Buch!“
    Ryss hielt ihrem Blick stand.
    All ihr mühsam zusammengekratzter Mut schien sie zu verlassen. „Ich bin doch weg. Das Buch ist weg.“
    Ryss schaute um sich. Ein Junge mit Lumpen um die Füße trieb drei Schweine vor sich her, Reiter überholten sie, Schneematsch spritzte auf.
    Hedwig sah ihnen nach, erkannte weit vorne bei der Mündung der Straße in die Landstraße, die nach Westen führte, den Rabenstein, den großen runden Richtblock vor der Stadt. Rechts davon erhob sich stolz der quadratische Turm des Speyerer Tors. Sie hatten es geschafft. Sie waren in Heidelberg angekommen. Doch die Erleichterung darüber wurde von Furcht gespalten wie ein Stück Holz von einer Axt.
    „Wir sind besser wachsam“, sagte Ryss leise, fasste sie am Ellbogen und zog sie weiter.

Vierundvierzig
    Es grenzte an ein Wunder, aber er kam voran. Kroch, krauchte, schwankte, taumelte, stolperte. Der Pfälzer Löwe stand ihm vor Augen. Dann wieder Hedwigs Gesicht. Er spürte Tränen aufsteigen und zwang sie nieder. Fraß Schnee und torkelte weiter. Der Fuchs war fort, hatte ihm das Geleit aufgekündigt, kaum nachdem Helligkeit die Dämmerung abgelöst hatte. Ein Vogel rief. Philipp mühte sich, sank dennoch kraftlos zusammen, blieb reglos liegen. Kämpfte gegen Übelkeit und schwarze Wellen, die ihn zu verschlingen drohten. Verlor den Kampf und sank in Finsternis.
    Als er zu sich kam, sah er Bäume um sich her. Spärlich. Weiße Winterwelt. Er wusste, er würde sich nicht mehr lange halten können. Zu viel Blut verloren. Zu kalt. Sein Körper ein einziger tiefer Schmerz. Pochend. Qualvoll. Weiter.
    Die Gedanken trieben ihn. Er musste das hier durchstehen. Überleben, um Hedwig zu rächen. Juli. Er brach zusammen, da ihm das fröhliche Quäken seiner Tochter im Ohr hallte. Haltlos weinte er.
    Später meinte er, von fern Glockengeläut zu vernehmen. Philipp öffnete die Augen. Blasses Winterlicht. Von selbst schlugen seine Zähne aufeinander. Aufstehen, gehen. Einen Fuß vor den anderen. Geh! Gleich wo er war. Hauptsache, Menschen. Hilfe. Er torkelte in eine Unebenheit, konnte sich nicht halten, fiel. Schrie heißer auf vor Schmerz, kullerte weiter. Blieb auf der Seite liegen und bemerkte, dass es sanft abfiel hier. Begriff erst jetzt, dass der Baumbestand sich lichtete. Er mühte sich auf. Torkelte voran. Der Abhang wurde steiler. Er schlitterte weiter. Fiel erneut, rutschte auf dem Hintern den Schneehang hinab. Blieb liegen, weiße Hügel unter sich. Und das – eine Kirchturmspitze? Dahinter das Silberband des Neckars? Er verbat sich Erleichterung. Wusste nicht, ob allein der Wunsch ihm dies als Trugbild vorgaukelte. Schloss die Augen, öffnete sie. Keine Täuschung. Ein Kloß im Hals, Tränen der Erleichterung. Er kannte diesen Kirchturm.
    Jetzt, da er sein Ziel vor Augen sah, fand er fast keine Kraft mehr, den Friesenberg hinunterzuschlittern. Durch kahles Geäst lugten die spitzen Giebel der ersten Häuser. Er kam von hinten, taumelte von Südosten aus dem Gehölz, erreichte die Gasse, folgte ihr gebückt, langsam, tief in den

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