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Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Klaus
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wirklich glauben mochte, denn Ryss hatte sie gerettet. Dieser Gedanke gab ihr Kraft, das bemerkte sie wohl – und gleichsam war er die Ursache für ihre Unsicherheit. Hatte Philipp mit seinem Tun ihr Leben in Gefahr gebracht?
Wissentlich
? Was glaubte er, wo sie sei? Das waren die drängendsten Fragen, und Hedwig spürte die Enge in der Kehle, die sie verursachten, spürte die bange Unruhe, die die Freude, endlich in Heidelberg angelangt zu sein, vertrieb.
    Und jetzt, da sie das Gewimmel von Menschen, Pferden, Ochsen und Schweinen um sie her sah, hatte sie das Gefühl, als drücke sie die Last des Buches in Grund und Boden. Sie wollte das vermaledeite Schandstück loshaben. Sie wollte sich nicht mehr sorgen müssen! Sie mussten stehen bleiben, da das halbe Dutzend Reiter, das ihnen entgegenkam, vor ihnen in die Sandgasse abbog. Der Schnee war hier zu einer braunen Suppe zerstampft, Hedwig und Ryss wichen in die Straßenmitte aus. Karren, an deren Rädern matschige Schneeklumpen hingen, rumpelten gen Mitteltor. Überall Leute. Menschen, die sich durchs Tor drängten. Niemand wurde von den Wächtern angehalten. Dann waren auch sie durch. Hedwig lenkte ihre Schritte nach links, hinunter auf den Heumarkt. „Wir folgen der Unteren Gasse bis zur Kirche, von dort ist es nicht mehr …“
    „
Damo!
“, fluchte Ryss neben ihr und erstarrte.
    Hedwig erschrak, sie blieb stehen und folgte seinem Blick. Ein Mann in graugrünem, ärmellosem Filzumhang kam auf sie zu. Ihr Herz schlug zwei Mal so schnell, als sie begriff, dass sie diesen Umhang über Lederkleidung schon einmal gesehen hatte, wenn auch nur von Ferne und in der Dämmerung. Ihr Blick zuckte umher, suchte den Rothaarigen. Ryss packte sie am Arm und drängte sie weiter.
    Der Mann stellte sich in den Weg. Die längliche Kapuze seines Umhangs war tief ins Gesicht gezogen. Hedwig konnte lediglich ein goldbraunes Kinn erkennen, zart beflaumt wie die dunklen Lippen, die aussahen, als hätte er sie in Soße getunkt. „Dort“, raunte er und befahl sie mit einem Kopfnicken zur Hauswand zu ihrer Linken.
    Hedwig spürte den Zorn ihres Gefährten, als er zwar Folge leistete, aber nur zwei Schritte tat. „Du bist nicht verreckt“, zischte Ryss und sah dabei hastig um sich. „Und dein rotnasiger Kumpan?“
    „Wo hast du deine Schleuder gelassen, Hosenfurz?“, war die Antwort des Fremden – und er hatte noch nicht zu Ende gesprochen, da zuckte seine Linke auch schon blitzschnell unter dem Umhang hervor, umklammerte Ryss’ Unterarm, verhinderte so den Schlag, den dieser ihm mit dem Stock verpassen wollte. „Erst zuhören!“, spuckte er Ryss ins Gesicht, ohne dessen Arm loszulassen. Dabei schüttelte er mit winzig-zackiger Bewegung ein Messer aus dem Handgelenk der anderen Hand und hielt es einsatzbereit.
    „Was, Scheißhund?“, zischte Ryss zurück. „Hier, unter all den Leuten, auf offener Straße? Ein Schrei und alle laufen zusammen!“
    „Erst zuhören!“, wiederholte der Fremde und seine dunklen Lippen verzogen sich zu einem breiten, diabolischen Grinsen. Er drehte Hedwig den Kopf zu, hielt ihn aber weiterhin geneigt, sodass sie sein Gesicht noch immer nicht zur Gänze sehen konnte. Nur dass ihm in der oberen Zahnreihe Zähne fehlten, konnte sie sehen.
    „Die Holde hier und du, ihr folgt mir. Ohne Aufhebens zu machen, versteht sich.“
    Hedwig schluckte. Der Mann war weder groß noch klein. Er schien auch nicht besonders stark. Und dennoch ging etwas Gefährliches von ihm aus, wie er da so stand, wachsam, siegesgewiss. Er flößte ihr Angst ein.
    „Was, wenn nicht?“, fauchte Ryss.
    „Oh, ihr werdet, ihr werdet“, sagte er leise und nickte dabei mehrmals. Er ließ Ryss’ Arm los und spielte mit dem Messer gefährlich nah am Rücken ihrer Tochter, sodass Hedwig einen erschrockenen Laut ausstieß und zurückwich. Er brachte sein Gesicht näher an ihres und raunte: „Die Maid will doch ihren Ehemann wiederhaben, was?“ Rasch sah er zu Ryss, wandte sich wieder an Hedwig, verzog erneut den Mund zu jenem teuflischen Grinsen und ergänzte: „Und zwar
warm
?“ Dann lachte er ein widerliches, kehliges Lachen, das wie das Husten einer Katze klang.
    Hedwig starrte ihn an, sprach- und reglos vor Angst.
    „Es verhält sich so“, begann der Mann fast behäbig, dann plötzlich ruckte sein Kopf zu Ryss, der sich neben ihr bewegte, und er zischte: „Keine Dummheiten, lang gezogener Furz!“ Ryss holte tief Luft und stellte sich breitbeinig hin, umfasste beidhändig

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