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Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Klaus
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Regel ist von dir – Buch gegen Mann. Halte dich selber daran oder wir wirklich machen Aufhebens!“
    „Schon gut, schon gut!“, nickte der andere und verzog missfällig die Lippen.
    „Doch sei versichert, ich glaube dir kein Wort,
Hundsfott
!“, ergänzte Ryss. „Du warst nicht dabei in der Hütte. Trotzdem du weißt, dass wir etwas wissen, was wir nicht dürfen wissen. Sei
du
wachsam! Dir folgen heißt nicht, dass du uns hast in der Tasche!“
    Ryss’ Zorn lag in seinen Worten – und Hedwig war dankbar darum. Nun, so kurz vor dem Ziel in eine solche Zwangslage zu geraten, wo sie so viel durchgemacht hatten, brachte sie an den Rand dessen, was sie aushalten konnte. Der andere forderte sie mit einer Handbewegung zum Gehen auf. Also folgten sie dieser
Zimtfresse
, wie Ryss ihn nannte. Der hatte Spaß am Quälen, die Lust daran troff ihm aus jeder Pore. Er drängte sie über den Heumarkt und weiter die Gasse hinan. Immer wieder sah Hedwig sich um, ob ihnen einer folgte oder um sie her schlich. Auch Ryss tat das, sie bemerkte es. Aber alles, was sie gewahrte, schienen gewöhnliche Leute, doch war sie auch nicht geübt in diesen Dingen. Sie stapften die Untere Straße entlang, der Widerling einmal neben, einmal hinter ihnen. Hedwig wäre am liebsten jeden, der ihnen entgegenkam, um Hilfe angegangen, sie sandte Blicke und wusste doch, es war sinnlos. Was hätte man tun können? Selbst wenn man diese Zimtfresse überwältigen konnte – da war immer noch der andere, der unsichtbar folgte, und Philipp, der an einem unbekannten Ort in der Gewalt der anderen Verbrecher war. Unbekannter Ort? Aber nein! Sicher hielten sie Philipp in ihrer Wohnung gefangen! Das war naheliegend, oder? Sie hielten ja geradewegs darauf zu. Doch noch ehe sie Ryss eine entsprechende Bemerkung zuraunen konnte, drängte sich der Grauenhafte zwischen sie, legte ihr eine Hand auf den Rücken, was sie augenblicklich zutiefst verabscheute, und tadelte wie ein Lehrer, der seine Schüler bei den Aufgaben überwacht: „Wir werden doch nicht miteinander plaudern, was!“
    Hedwig wand sich, schüttelte seine Hand ab. „Berührt mich nicht, Ihr Scheißhund!“, fauchte sie.
    Er lachte leise und bedrohlich. „So sind mir die Weiber eigentlich am liebsten“, raunte er nah an ihrem Ohr.
    Als sie den Fischmarkt erreichten, konnte Hedwig nicht anders, sie sandte einen sehnsuchtsvollen Blick die Haspelgasse hinauf zum Haus Belier, das hell und aufrecht jenseits von Gasse und Kirche zu erkennen war.
    Sie passierten die Nordseite von Heiliggeist, erreichten den Marktplatz.
    „Stramm weitergehen!“, befahl der Mann. „Keiner bleibt stehen!“ Zur Bekräftigung seiner Worte ein kurzer Armschlenker, das Messer am Handgelenk klappte heraus, ein neuer Schlenker, schon war es wieder unsichtbar. Unsichtbar wie jener, der ihnen folgte.
    Hedwig schluckte. Sie sah hinüber auf die Marktstände. Geruch nach Würzwein und Brezeln lag in der Luft, nach gebratenem Fleisch und heißen Maronen. Alles, was ihr Leben ausmachte, so nah – und doch so fern! Wie weh das tat. Sie sah die Ansammlung von Menschen, die sich vor dem Rathaus drängten, um ein Mysterienspiel anzuschauen. Gott, könnte sie ihnen nur etwas zurufen, sich irgendwie … Jäh spürte sie einen Stich in der Brust, hielt mitten im Schritt inne, wurde weitergestoßen. „Voran, voran! Wir halten uns nicht auf!“
    Sie konnte den Kopf nicht abwenden, starrte über die Schulter auf die Menschengruppe vor dem Rathaus, so lange, bis sie sie nicht mehr sehen konnte, weil sie nun in die Untere Gasse eintauchten.
    Ihr Herz klopfte wild. Es sprengte ihr schier die Brust.
    Nein, sicher war das eine Täuschung gewesen.
    Es konnte nicht sein.
    Angst und Not gaukelten ihr Trugbilder vor.
    Tränen traten ihr in die Augen.
    Dort, am Rand all der Menschen vor dem Rathaus, hatte sie gemeint, die große Gestalt ihres Vaters, seinen nachtblauen Filzhut auszumachen. Und neben ihm, bärenhaft und dunkelbraun umhüllt, Zentgraf Zahn aus Hockenheim – Philipps Stiefvater.

Sechsundvierzig
    Matthias’ Blick ruhte auf dem Mönch, ohne ihn wirklich zu sehen. Der stand unter dem linken rundbogigen Eingangstor des Rathauses, hielt ein dickes ledergebundenes Buch empor und sprach einem eindeutig calvinistischen Prediger zu, der kopfschüttelnd vor ihm stand. Matthias vernahm Ausrufe wie „Kirchen und Klöster“ und „Licht Gottes“. Beide Rathaustore waren mit bemalten Tüchern verhängt, jenes hinter den beiden Streitenden

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