Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)
gefügig gemacht, ohne Frage. Aber das Zögern der drei Sauhunde beim Auftauchen dieser beiden jungen Leute …
Einer der Torwächter trat plötzlich zu ihrer Gruppe, neben ihm ein Stadtbüttel.
„Herr von Massenfels, nichts für ungut, aber die Leute kommen ans Tor und zeigen sich beunruhigt über die Missstimmung, die hier im Gange ist. Ich hab Euch im Blick, seit Ihr durchs Tor seid. Wie wäre es, ihr stecktet alle mal die Messer weg?“
Der Dunkelhaarige –
von
Massenfels – winkte ab. „Danke, dass du wachsam bist, Henner, doch es ist alles …“
„In Ordnung?“, kreischte Hedwig unter Tränen. „Wolltet Ihr das sagen, ja?“ Sie verlor völlig die Beherrschung. Das Mädchen Appel machte sich nun doch los, Zimtfresse konnte sie im Angesicht von Wächter und Büttel schwerlich weiterhin wie eine Gefangene halten. Sie eilte zu Hedwig, schlang den Arm um deren Schulter. „Bitte“, wandte sich Hedwig weinend an den Wächter, „ich bin am Ende meiner Kraft, ich will diese Männer nicht mehr sehen, ich will zu meinem Ehemann. Ich will …“ Sie stammelte, ächzte, konnte nicht mehr. Anspannung, Angst und Erschöpfung brachen aus ihr heraus. Ryss spürte ihre Not, er schluckte, es war anteilig die seine, ihr gemeinsamer Weg bis hierher stand ihm vor Augen, und er litt mit ihr, als sie sich nun zusammenkrümmte und so haltlos schluchzte, dass alle nur betreten dastanden. Alle bis auf Zimtfresse. Der gab plötzlich Fersengeld. Zack, herumgewirbelt, wieselflink davongerannt. Verdutzt starrte man ihm hinterher.
„Henner, siehst ja selbst, dass wir sie ins Spital bringen müssen“, wagte Rotnase einen beschwichtigenden Vorstoß. Vergeblich. Die hübsche Maid mit den schwarzen Locken sah von Hedwig auf und sagte betont ruhig: „Wir wissen, wo ihr Ehemann ist. Die Geschichte, die er uns erzählte – erzählen konnte! –, ist erschütternd. Wir wollten eben Meldung machen.“
„Ich wollte gerade zur Kanzlei“, bestätigte der junge Mann.
„Und ich zu deinen Eltern, Hedwig, sie sind in Heidelberg und weinen sich die Augen aus dem Kopf, weil du verschwunden warst. Auch Beliers wollte ich Bescheid geben und bitten, einen Arzt …“
Hedwig sah überrascht auf. „Vater und Mutter sind hier?“
Das Mädchen nickte. „Samt deinem Bruder.“
„Das wird ja immer verworrener“, sagte Torwächter Henner. „Warum ist dieser Mensch abgehauen? Was ist los, Herr von Massenfels?“
Der Angesprochene rieb sich übers Gesicht. Winkte ab. „Sagen wir, politische Affäre.“
Ryss traute seinen Ohren kaum. Politische Affäre? Sollte er in Angelegenheiten der Regierung hineingezogen worden sein? Sich über den Hergang der Geschehnisse ein falsches Bild gemacht haben?
„Vielleicht besser, ihr kommt mit, im Torturm könnt ihr abwarten, bis jemand vom Hof …“
„Henner!“, machte Rotnase gönnerhaft.
„Verhören?
Uns?“
„Ist wegen den Geschehnissen von letzter Nacht im Gefängnisturm, Herr vom Fleckstein. Wir sind angehalten, wachsam zu sein.“
Wieder ein Augenspiel zwischen Rotnase, soeben genannt vom Fleckstein, und dem anderen, diesem von Massenfels.
„Schluss mit dem Geplänkel!“ Ryss zeigte mit dem Dolch anklagend auf die beiden. „Ich wurde festgehalten von diesen beiden Männern gegen meinen Willen und gezwungen zu einem Tun, das ich nicht tun wollte, weil es war unlauter, wie ich nahm an. Ich verstehe nichts von diesen deutschen Dingen. Aber ich weiß um den Tod eines Mannes, getan von einem dieser beiden Herren. Und diese Maid hier ebenfalls war in den Fängen der Männer. Was sie hatte zu leiden, kann sie selber Euch sagen.“
Nicht nur die drei jungen Leute sahen ihn mit offenem Maul an. Ihr Verhalten bestätigte, was er erkannt hatte. Die Männer waren Edle und genossen einen entsprechenden Ruf. Man war die ganze Zeit zurückhaltend gewesen. Denen gegenüber begegnete man mit Respekt. Das war hier nicht anders als in seinem Land. Die klagte man nicht einfach an. Da sprach man nicht einfach ein wahres Wort, erst recht nicht, wenn es
gegen
sie gerichtet war. Er, als Fremder, hatte den Bann durchbrochen. Unwillkürlich musste er grinsen.
„Maid Hedwig“, sagte er und trat auf sie zu. Hedwig sah ihn mit rot verweinten Augen an. „Alles wird gut, Ihr werdet es sehen“, lächelte er.
Achtundvierzig
Ryss’ Worte, seine warm lächelnden Augen rüttelten etwas in Hedwig zurecht. Hilflosigkeit und Verzweiflung wichen, machten einer entschlossenen Weite in ihr Platz, die sie die
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